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Deutschland hat gewählt Wahllethargie in Deutschland: Eine Chance für Protestparteien?

Beobachtungen aus dem Wahlkampf im grössten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Es fällt auf: Leidenschaftlich wird bis jetzt nicht gekämpft. Viele Deutsche haben sich wohl darauf eingestellt, dass die alte Kanzlerin auch die neue sein wird. Kleinen Parteien könnte das wichtige Stimmen bringen.

In fünf Wochen finden die Wahlen statt. Viele Deutsche haben sich wohl schon darauf eingestellt, dass die alte Kanzlerin auch die neue sein wird. Dies fördert die Wahllethargie. Und die könnte wiederum eine Chance sein für die Protestparteien

Am Tag der offenen Türe im Landtag von Nordrhein-Westfalen gibt es Stände und Attraktionen für Kinder. Die Parteien präsentieren sich. Anwesend ist auch die orange Maus vom Fernsehsender WDR. In ihrem Kostüm watschelt sie direkt zum Stand der Piratenpartei, wo heftig gebastelt wird.

Doch die Politik ist kein Kinderspiel. Das mussten die zwanzig Piraten lernen, als sie vor einem Jahr in den vierten und grössten Landtag von Deutschland einzogen. Im Gepäck hatten sie viele Erwartungen der Wählern, wie sich Fraktionschef Joachim Paul in seinem nüchternen Büro erinnert: «Unterschwellig haben die Leute die Hoffnung, dass sich innerhalb von einem halben Jahr etwas ändert. Und das ist natürlich völlig unrealistisch. In der Politik läuft vieles sehr, sehr langsam.»

Piratenschiff im Sturm

Frisch und neu waren die Piraten. Vielen hat das gefallen. Doch in Düsseldorf gab es erstmals nur Schlagzeilen um peinliche Personaldiskussionen. «Das ist unglücklich. Auf der anderen Seite ist es aber auch Bestandteil unserer Kultur», sagt Paul. «Wenn bei den Piraten gestritten wird, passiert es nicht hinter verschlossenen Türen, sondern es wird offen gestritten.» Geprügelt, hält der Fraktionschef fest, hätten sie sich jedoch nicht.

Joachim Paul hat seine Fraktion nicht im Griff. Jeder stimmt, wie er will. Der Partei fehlt auch ein Gesamtprogramm. Transparenz ist die Hauptforderung – den Skandal um die Geheimdienst-Überwachung – konnten sie trotzdem nicht nutzen. So ist es schwierig, die Wähler bei Laune zu halten. Die Umfragewerte dümpeln bei 2 bis 3%.

Dabei hatten es die Piraten doch geschafft, viele Nichtwähler an die Urne zu bringen. Paul ist sich bewusst, dass es eine «sehr unglückliche Entwicklung wäre», wenn die ein zweites Mal frustriert würden. «Gerade den Leuten muss man deutlich machen, passt mal auf, es ist schwieriger als gedacht. Gebt uns für diese Wahl noch die Stimme und beim nächsten Mal können wir wieder neu schauen und Bilanz ziehen.»

Alternative für Deutschland?

Doch um die vielen Unzufriedenen bewerben sich noch andere Parteien. Zum Beispiel die Alternative für Deutschland. In Berlin soll sie mehr als die 3 Prozent erreichen, die sie in den Umfragen erzielt. Die Partei, strikt geführt, hat in eindrücklichem Tempo Landesverbände aufgestellt.

Kerstin Garbracht, Sprecherin der Alternative für Deutschland in Düsseldorf
Legende: Kerstin Garbracht, Sprecherin der Alternative für Deutschland in Düsseldorf SRF/Simone Fatzer

Von dieser Bewegung ist Kerstin Galbrach. Sie hetzt in die Lounge des schicken Breidenbacher Hofs. Die drei Prozent der Umfrage sind für sie noch zu wenig. «Ich schlafe noch vier, fünf Stunden die Nacht, mehr schaffe ich nicht, und das auch am Wochenende», erzählt sie. «Denn wir wollen das erklärte Ziel schaffen.» Das Ziel ist: In den Bundestag reinzukommen.

Vorbild Schweiz

Die elegante, perfekt geschminkte Akademikerin braucht nur in den Spiegel zu schauen um zu wissen, wen die AfD abholen will: «Ich bin schon lange nicht mehr begeistert von der deutschen Politik. Jetzt war der Anstoss da, dass ich gesagt habe, ich engagiere mich. So kann es nicht weitergehen.» Statt die FDP zu wählen, wirbelt sie jetzt gegen die angeblich alternativlose Politik von Kanzlerin Merkel. Bekannt von ihrer Partei ist vor allem der Anti-Euro-Kurs.

«Natürlich, das Euro-Thema ist das prominenteste.» Aber es sei durchaus nicht das einzige Thema. «Es ist ganz wichtig, dass die Alternative für Deutschland mehr direkte Demokratie fordert. Und das möchte sie so umsetzen, dass wir sagen, wir wollen mehr Volksentscheide. Und zwar nach Schweizer Vorbild.»

Doch die Alternative für Deutschland hat noch andere Köpfe. Der Fad-Kollege Poriger beispielsweise präsentiert einen wohlwollenden Artikel in der Wochenzeitung «Junge Freiheit». Die Zeitung wurde lange vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet. Sie steht sehr weit rechts. Damit möchten viele in der Partei nichts zu tun haben. Umgekehrt aber möchte die rechte Ecke mit der Fad zu tun haben.

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