Die Nähmaschinen rattern fast ununterbrochen in dem kleinen lichtlosen Raum mitten im Slum. Junge Männer nähen hier Hosen im Akkord. «Das ist kein guter Job», sagt ein Näher. «Aber wir können nichts anderes.»
Wie so viele Menschen in Dharavi sind die Männer als Migranten aus Dörfern im armen Nordosten Indiens in die Wirtschaftsmetropole Mumbai gekommen, um Arbeit zu finden.
«Dharavi ist das Herz für uns»
Wenn sie fleissig nähen, haben die Männer am Ende des Monats 130 Franken in der Tasche. Das Geld schicken sie den Familien im Dorf. «Dharavi ist das Herz für uns», sagt einer der Männer. «Wenn es nicht mehr schlägt, können wir kein Geld mehr zurückschicken. Wo bekommen wir sonst Arbeit?»
Der Slum mitten in Mumbai ist nicht nur Heimat für rund eine Million Menschen, sondern auch für Tausende Gewerbetreibende: Textil- und Recycling-Firmen, Seifenproduzenten und Essensverkäufer.
«Wir wissen nicht viel über dieses Projekt», sagt Lederhändler Imran Khan, der mehr als 100 Angestellte beschäftigt. «Aber wir ahnen, dass wir alle verlieren werden.» Die meisten hier in Dharavi, auch sie hätten kleine Häuser mit zwei oder drei Etagen. Unten Geschäft, oben Wohnraum. Adani wolle ihnen aber nur eine Wohnung als Kompensation für das ganze Haus geben, sagt Lederhändler Khan. «Wie sollen wir unser Geschäft weiterführen, mit so wenig Platz?»
Auch Fatima Sheik hat Angst um ihre Existenz. Sie wohne schon ihr ganzes Leben lang im selben Haus, erzählt die Reinigungskraft. Aber sie habe es erst 2019 von ihrer Mutter gekauft. Anspruch auf eine Ersatzwohnung habe aber nur, wer sein Haus vor dem Jahr 2000 gekauft habe. Wie viele Familien in Dharavi ist die 60-Jährige in Sorge, dass sie das Haus ersatzlos verlieren werde.
In sieben Jahren soll das Mammut-Projekt abgeschlossen sein
In einem Regierungsgebäude ein paar Kilometer weiter nördlich sitzt Herr Srinivas hinter seinem Schreibtisch. Srinivas ist Chef des Dharavi-Entwicklungsprojekts, einer Behörde, die zusammen mit Adani den Slum umwandeln soll. «Wir starten schon im nächsten Monat», sagt Srinivas. In sieben Jahren soll der Slum Geschichte sein – was die Adani-Gruppe auf Anfrage bestätigt.
Srinivas und die Adani-Gruppe bestätigen, was die Bewohnerinnen befürchten: Nur wer sein Haus vor dem Jahr 2000 gekauft hat, wird mit einer Wohnung im gleichen Quartier entschädigt. Alle anderen bekämen Mietangebote ausserhalb des Stadtzentrums, sagt der Chefbeamte. Das sei keine perfekte Lösung, aber besser als nichts.
Betroffene wie den Lederunternehmer Imran Khan beruhigt das nicht. «Alle wollen in Dharavi bleiben», sagt er. «Wir haben uns hier eine Existenz aufgebaut.»
Khan hofft, dass das milliardenschwere Slum-Projekt am Ende doch nicht zustande kommt – wie schon einige andere Versuche in den letzten Jahrzehnten. Vielleicht könnte ein Gerichtsurteil den Plan noch zu Fall bringen. Ein Investor aus Dubai jedenfalls sah sich beim Bietergefecht gegen Adani benachteiligt – und klagte. Das letzte Wort hat der Oberste Gerichtshof in Mumbai.