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Die Frau galt als verschollen Schweizer Dschihadistin aus Gefangenenlager geflohen

Die Kurden bekunden zunehmend Mühe, die Camps in Syrien mit Tausenden IS-Anhängerinnen zu sichern. Deren Rückkehr droht.

Sie haben teils jahrelang im Territorium des selbsternannten «Islamischen Staates» (IS) gelebt – jetzt sind Tausende Frauen aus Europa mit ihren Kindern in Zeltlagern in Syrien interniert, nachdem kurdisch geführte Truppen sie im Kampf gegen den IS gefangen genommen hatten.

In einem dieser Camps war offenbar auch eine Frau aus Nidau (BE) interniert, die die Schweiz 2014 zusammen mit einer Freundin aus Biel verlassen und sich dem IS angeschlossen hatte.

Unkenntlich gemachtes Klassenfoto, roter Kreis um die Frau aus Nidau.
Legende: Der heute 26-jährigen Frau aus Nidau soll inzwischen die Flucht aus dem Camp in Syrien gelungen sein. Gegen sie läuft ein Strafverfahren der Bundesanwaltschaft. SRF

Jahrelang galt die heute 26-Jährige als verschollen. Eines Tages, im August 2014, sei sie völlig unerwartet verschwunden, seither kein Wort. Das haben Familienangehörige der jungen Frau aus Nidau im Laufe der letzten Jahre immer wieder betont. Zuletzt hielt sie sich 2017 in der damaligen syrischen Hochburg des IS auf, der Stadt Rakka, zusammen mit ihrer Freundin aus Biel.

Spur führt ins Lager Al Hol

«10vor10» hatte die Ausreise der beiden Frauen im Herbst 2017 publik gemacht. Bald darauf verlor der IS Rakka an die kurdisch geführten «Syrian Democratic Forces» (SDF). Die Spur der zwei Frauen aus dem Berner Seeland verlor sich.

Während mehrere Schweizer Männer und Frauen, die von den SDF gefangen genommen wurden, in Gefängnissen und Camps lokalisiert werden konnten, gab es zwar Hinweise auf eine Gefangennahme, wie der «Tages-Anzeiger» 2018 berichtete. Restlos geklärt wurde ihr Schicksal aber nicht. Jetzt zeigen monatelange Recherchen: Auch die Frau aus Nidau wurde von den SDF inhaftiert.

Sie war gemäss mehreren voneinander unabhängigen Quellen in Syrien zumindest zeitweise im grössten der Camps, in Al Hol, interniert. Auch die Schweizer Behörden hatten Hinweise darauf.

Erstmals Schweizerin geflohen

Für die Schweizer Sicherheitsbehörden hat sich der Fall der jungen Dschihadistin aus Nidau mit deren Inhaftierung aber nicht erledigt. Denn heute befindet sie sich wieder in Freiheit: Sie konnte aus dem Camp fliehen, wie «10vor10»-Recherchen ergaben.

Es ist der erste öffentlich bekannte Fall einer Person aus der Schweiz, der die Flucht aus einem Gefängnis für IS-Verdächtige im kurdischen kontrollierten Nordosten Syriens gelungen ist.

Aus anderen Herkunftsländern sind in jüngster Zeit mehrere geflüchtete Frauen zu verzeichnen. Das bestätigt SDF-Kommandant Mazloum Abdi im Interview mit SRF und räumt damit ein, dass seine Truppen mit der Sicherung der Camps am Anschlag sind. Er fordert die Heimatländer der Inhaftierten auf, ihre Landsleute zurückschaffen, denn sie seien eine Gefahr für die Stabilität der Region, so Mazloum. Die Schweiz lehnt das aber ab.

Bund lehnt Rückführung Dschihadreisender ab

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Die heute 26-jährige Frau wurde 2011 von der Gemeinde Nidnau eingebürgert, sie stammt aus einer tunesischen Familie. Eine Rückführung, wie von der kurdischen Selbstverwaltung im Nordosten Syriens gefordert, schliesst der Bundesrat aus. Erwachsene Personen würden nicht aktiv in die Schweiz zurückgeholt, entschied der Bundesrat im März 2019.

Ausnahmen könnten bei Minderjährigen geprüft werden, allerdings sind entsprechende Bemühungen bisher auch daran gescheitert, dass sich Mütter geweigert hätten, ihre Kinder ohne sie in die Schweiz zurückschaffen zu lassen. Auch die kurdischen Behörden lehnen eine Trennung von Mutter und Kind ab, wie SDF-Kommandant Mazloum Abdi im Interview sagt.

Nicht verweigert werden könnte Schweizer Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern die Rückreise, sollten sie sich auf einem Konsulat oder einer Botschaft melden. Möglich ist auch eine Ausschaffung durch einen Drittstaat, etwa die Türkei: Sollten türkische Truppen oder die Polizei eine IS-Verdächtige aus der Schweiz aufgreifen, könnte die Türkei sie umgehend ausweisen.

Bei einer Rückkehr in die Schweiz ist wahrscheinlich, dass die Frau aus Nidau, wie andere IS-Verdächtige, in Untersuchungshaft genommen wird, denn gegen sie läuft ein Strafverfahren der Bundesanwaltschaft (BA). Dieses ist, wie auch im Fall der Freundin aus Biel, derzeit sistiert, wie die BA mitteilt.

Wo genau sich die geflüchtete Frau aus Nidau derzeit aufhält, lässt sich nicht restlos klären. Einiges deutet darauf hin, dass sie sich in der syrisch-türkischen Grenzregion niedergelassen hat, mehrere Hinweise deuten auf die syrische Provinz Idlib hin. Diese wird weitgehend von Islamisten kontrolliert.

Klar scheint damit, dass die junge Frau, die auch Kinder haben soll, die Rückzugsgefechte des IS bis heute überlebt hat. Bei ihrer Freundin aus Biel dagegen ist das fraglich: Von ihr gibt es seit über zwei Jahren kein Lebenszeichen.

10vor10, 4. August 2020, 21.50 Uhr

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