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Fremdenfeindliche Krawalle in Südafrika
Aus Echo der Zeit vom 28.02.2017. Bild: Keystone
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Aufruhr in Südafrika «Die Wut entlädt sich gegen noch Schwächere»

Das Wichtigste in Kürze:

  • Seit Tagen kommt es Johannesburg und Pretoria zu Gewalt gegen Einwanderer und Zusammenstössen mit der südafrikanischen Polizei.
  • Dabei plünderte der Mob Geschäfte von Immigranten, Fenster und Türen wurden eingeschlagen.
  • Der regierende ANC habe in den letzten Jahren dabei versagt, etwas gegen die fremdenfeindliche Gewaltbereitschaft zu tun, sagt die Journalistin Leonie March.

SRF News: Warum ist die Gewalt in Südafrika gegen Immigranten gerade jetzt wieder aufgeflammt?

Leonie March

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Die Journalistin Leonie March lebt und arbeitet seit 2009 in Südafrika. Von dort sowie aus anderen afrikanischen Ländern berichtet sie als freie Journalistin für verschiedene deutschsprachige Medien.

Leonie March: Der Auslöser der Gewalt war eine Demonstration von Bürgern aus den Townships bei Pretoria. Sie protestierten gegen illegale und kriminelle Einwanderer, vor allem gegen Nigerianer. Diese werden für Kriminalität, Prostitution, Gewalt und Drogenhandel verantwortlich gemacht. Die Folge waren Strassensperren, Zusammenstösse mit der Polizei und Plünderungen. Das zeigt, dass es nur einen kleinen Auslöser braucht, damit die Gewalt in den Vierteln eskaliert. Ein Tropfen kann das fremdenfeindliche Fass zum Überlaufen bringen.

Sind die Vorurteile der Südafrikaner gegen die angeblich kriminellen Nigerianer denn gänzlich unberechtigt?

Natürlich gibt es auch in Südafrika kriminelle Ausländer, darunter sind auch Nigerianer. Doch das Problem sind die Pauschalverurteilungen. Interviews mit den Demonstranten haben gezeigt, dass offenbar wieder eine generell fremdenfeindliche Stimmung aufkommt. Die Vorwürfe gegen die Ausländer aus anderen afrikanischen Ländern, aber auch aus Asien, sind immer die gleichen: Ausländer seien kriminell und nähmen den Südafrikanern die Arbeit sowie die Frauen weg.

Mehrere Personen, teilweise maskiert, halten ein Plakat hoch.
Legende: Protest gegen Immigranten in Pretoria. Keystone

Südafrika hat ein liberales Ausländerrecht, auch Menschen aus relativ sicheren Ländern werden aufgenommen. Zudem dürfen Asylbewerber relativ rasch arbeiten. Gleichzeitig werden sie aber nicht staatlich betreut, wie man das bei uns kennt. Woher kommt diese Haltung?

Südafrika hat eine sehr liberale Verfassung, die Menschenrechte sind – zumindest auf dem Papier – sehr wichtig. Der Grund dafür liegt unter anderem darin, dass während der Apartheid viele Südafrikaner aus ihrem Land fliehen und in anderen Ländern vor rassistischer Verfolgung Schutz suchen mussten. Auch sind die Grenzen relativ durchlässig, was es illegalen Einwanderern erleichtert, ins Land zu gelangen. Wer sich verfolgt wähnt und Asyl beantragt – und dieses meist auch erhält – muss selber für seine Unterkunft und den Lebensunterhalt aufkommen. Diese meist sehr armen Menschen suchen sich ein Häuschen in einem der Armenviertel, wo sie auf ähnlich mittellose Einheimische treffen. Das ergibt eine explosive soziale Mischung: Die offizielle Arbeitslosenrate im Land liegt bei 26 Prozent, wobei die tatsächliche Quote eher bei 40 Prozent liegen dürfte.

Es braucht nur einen kleinen Auslöser, damit die Gewalt in den Townships eskaliert.

Wieso protestieren die Südafrikaner angesichts der desolaten Wirtschaftslage nicht gegen die Regierung und ihre schlechte Wirtschaftspolitik?

Tatsächlich gibt es auch Proteste gegen die Regierung. Fast täglich kommt es zu sogenannten Service Delivery Protests. Dabei demonstrieren die Leute in Armenvierteln beispielsweise für ordentliche Toiletten, Stromanschlüsse oder gegen die Korruption. Gleichzeitig ist es natürlich viel leichter, sich einen Sündenbock zu suchen, der nicht so abstrakt und unerreichbar ist wie eine Regierung. Deshalb entlädt sich die Wut und die Frustration direkt gegen noch Schwächere – und das sind in diesem Fall illegale Einwanderer und Flüchtlinge.

Männer auf einem Auto.
Legende: Immigranten flüchten in Pretoria vor dem fremdenfeindlichen Mob. Keystone

Hat es die Regierung des ANC in den letzten 20 Jahren verpasst, Lösungen zu suchen?

Auf jeden Fall. Es gab 2008 schwere Ausschreitungen mit vielen Toten, und auch vor zwei Jahren kam es zu fremdenfeindlichen Konfrontationen. Der ANC hat daraufhin viel versprochen; so wurde etwa die Operation «Fiela» gestartet. Sie richtet sich gegen illegale Einwanderer. Die Aktion sollte wohl etwas Druck aus dem Kessel nehmen. Allerdings hat «Fiela» keinen guten Ruf, weil dabei auch gegen anerkannte Flüchtlinge vorgegangen wird und Korruption mit im Spiel ist. Der ANC hat ausser Lippenbekenntnissen also nicht viel geliefert. Deshalb erstaunt es mich nicht, dass diese unterschwellig stets vorhandene fremdenfeindliche Gewalt immer wieder ausbricht.

Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.

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