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Dieselproteste in Stuttgart Der Mann hinter den deutschen Gelbwesten

Ioannis Sakkaros mobilisiert hunderte Demonstranten – wegen des Diesel-Fahrverbots. Er hofft, dass sich die Proteste in ganz Deutschland ausweiten.

Vor einem Monat kannte ihn niemand – jetzt reissen sich Politiker und Medien um Ioannis Sakkaros. Der 26-jährige Porsche-Angestellte organisiert seit Anfang Jahr Demonstrationen gegen das Dieselfahrverbot in Stuttgart.

Seit dem 1. Januar gilt in Sakkaros' Heimatstadt ein flächendeckendes Dieselfahrverbot. Betroffen sind Dieselfahrzeuge der Euro-Abgasnorm 4 und schlechter. Derzeit gilt das Fahrverbot erst für Auswärtige, ab April werden auch die Stuttgarter davon betroffen sein.

Riesiges öffentliches Echo

Sakkaros hat vor einem halben Jahr nachts um 3:37 Uhr eine Facebook-Gruppe gegen Dieselfahrverbote in Stuttgart gegründet. Für Anfang Januar meldete er eine erste Demonstration an. Es kamen 250 Menschen. Am darauffolgenden Samstag waren es 700, letzte Woche 1500. Nun geht es am heutigen Samstag weiter. Bis April soll jeden Samstag demonstriert werden.

Bis jetzt ist der Protest zahlenmässig sehr überschaubar. Doch das öffentliche Echo ist riesig, denn die Demonstranten tragen gelbe Westen – wie die «Gilets Jaunes» in Frankreich. PR-mässig ist das perfekt. Aber was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Menschen in Gelben Westen blockieren eine Strasse.
Legende: Vor zwei Wochen kamen rund 700 Gelbwesten. Wie viele werden es diesen Samstag sein? Imago

Wut auf Autokonzerne und die Politik

Man sehe auch den deutschen Bürgern den Unmut an, sagt Sakkaros. «Sie werden nicht mal gefragt. Man nimmt ihnen einfach ungefragt den Autoschlüssel aus der Hand.» Betroffen vom Fahrverbot sind die Besitzer von älteren Dieselfahrzeugen. Das seien vor allem Menschen, die sich nicht so viel leisten könnten, so Sakkaros.

In Frankreich richten sich die Proste gegen die Regierung, in Deutschland müssten sie die betrügerischen Autokonzerne anvisieren. Sakkaros sieht zwar auch die Autokonzerne in der Pflicht, mehr noch aber die Politik. Sie habe es versäumt, eine Umfahrungsstrasse in Stuttgart zu bauen.

Popularität zu Kopf gestiegen?

Box aufklappen Box zuklappen

Ioannis Sakkaros geniesst die plötzliche, riesige Publizität. Er hat unzweifelhaft politisches Talent, und er kann gut reden. Aber vielleicht ist ihm das ein wenig in den Kopf gestiegen: «Ich sehe mich als eine Art Volksvertreter», sagt er. Er gebe in den diversen TV-Sendungen, in die er immer öfter eingeladen wird, «einfach nur die Meinung der Stuttgarter Bürger wider».

Zudem stellt der junge Mann Messtationen und Messewerte in Frage. Seine Forderung: Die Fahrverbote müssen aufgehoben werden. Es könne nicht Sinn der Sache sein, dass das Opfer – also der von den Autoherstellern betrogene Autofahrer – die Strafe trage.

Politik versucht Protest zu vereinnahmen

Bei Bürgerprotesten und dem Thema Auto springt auch die Politik auf und versucht sie zu instrumentalisieren. Dies umso mehr bei diesem Thema, da im Zuge des Dieselskandals tatsächlich die Autofahrer die Dummen sind.

Die AfD versuchte sich mit Glühweinständen und Plakaten an den Demos in Stuttgart. Doch Sakkaros wehrte ab. Andere halten ihm vor, er sei als Mitglied der IG Metall bloss ein Strohmann der Gewerkschaft. Doch Sakkaros betont, er handle von sich aus.

Sakkaros hofft auf Proteste in ganz Deutschland

Er will überparteilich sein und sieht seinen Protest auch grundsätzlich über das Dieselfahrverbot hinaus: «Der Unmut in der Bevölkerung wächst ständig», glaubt Sakkaros. Das betreffe auch andere Themen als bloss den Diesel.

Die Regierung müsse sich überlegen, ob sie nicht für die Bevölkerung arbeiten sollte – statt bloss für die Wirtschaft. Gewalt wie in Frankreich lehnt Sakkaros ab, aber er hofft auf eine Ausweitung der Proteste auf ganz Deutschland.

Eines ist sicher: Auto und Bürgerproteste ist eine politisch brisante Mischung in Deutschland. Auch wenn ein Erfolg noch in den Sternen steht.

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