Damit die Luft in Deutschland sauberer wird, sollen Städte künftig ein Fahrverbot für Dieselautos verhängen dürfen. So lautet das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Umweltverbände in Deutschland jubeln und sprechen von einem historischen Urteil und einem «Gewinn für die Gesundheit der Bürger». Die deutsche Energieökonomin Claudia Kemfert spricht von einem überfälligen Schritt – den nicht Gerichte, sondern die Politik hätte machen müssen.
SRF News: Was sagen Sie zum Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts?
Claudia Kemfert: Das Urteil war im Grunde genommen zu erwarten. Denn man hatte schon festgestellt, dass diese Städte die Grenzwerte nicht einhalten und damit gegen europäische Rechtsvorgaben verstossen. Dass nun Fahrverbote erlaubt werden, ermöglicht es, juristisch gegen Kommunen vorzugehen, damit sie etwas tun müssen – gegebenenfalls die Einführung von Fahrverboten.
Dass die Gerichte überhaupt urteilen müssen, ist schon ein Skandal und Zeichen für das Versagen der deutschen Politik.
Also geht dieses Urteil genau in die richtige Richtung?
Es erhöht den Druck auf die Politik und auch auf die Autokonzerne, nun endlich etwas zu tun. So wie jetzt kann es nicht weitergehen. Dass die Gerichte überhaupt urteilen müssen, ist schon ein Skandal und Zeichen für das Versagen der deutschen Politik. Denn sie hätte alle Möglichkeiten, dass die Städte die Emissionen senken – etwa über die Einführung einer blauen Plakette (Vignette) oder die Nachrüstung der Fahrzeuge, die die Grenzwerte nicht einhalten.
Es gäbe noch viele andere Möglichkeiten, inklusive die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Untätigkeit der Politik zwingt die Gerichte zu diesen Urteilen. Dass sie nun da sind, ist kein Grund zu jubeln, sondern nur eine Konsequenz des politischen Versagens.
Sie haben die blaue Plakette erwähnt. Worum handelt es sich dabei genau?
In Deutschland kennen wir sogenannte Umweltzonen. Jeder, der in eine solche Zone einfahren will, muss eine solche Pakette erwerben [in den meisten Städten ist es die grüne Plakette]. Die blaue Plakette bezieht sich anders als die grüne gezielt auf Stickoxyd (NOx), also diejenigen Feinstaubwerte, um die es in der Diesel-Debatte geht. Nur Fahrzeuge, die bestimmte Emissionsgrenzwerte nicht überschreiten, sollen die blaue Plakette und damit die Erlaubnis haben, sich in bestimmten Regionen von Städten bewegen zu können.
Was macht Sie zuversichtlich, dass dies auch durchsetzbar ist?
Die blaue Plakette ist im Grunde leicht umsetzbar. Es ist völlig unverständlich, warum die Politik diese seit Jahren vor sich herschiebt und immer wieder ablehnt. Wir kennen die Prozesse, die notwendig wären – so wäre auch eine blaue Plakette umsetzbar. Der Schritt wäre denkbar notwendig. Leider ist es aber so, dass sich gerade die deutsche Verkehrspolitik dagegen sträubt. Mit der Konsequenz, dass jetzt Chaos ausbricht.
Das Gespräch führte Karin Britsch.