Es ist nicht leicht für Victor Basterra, in die ehemalige Militärschule ESMA zurückzukehren. Langsam schreitet er den Dachboden des Gebäudes in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires ab, als würde er ihn vermessen: Hier lag er auf dem Boden, mit Fussketten und Handschellen gefesselt, mit einer Kapuze auf dem Kopf, steif von Blut.
Mehr als vier Jahre war Victor Basterra in der grössten Folteranstalt der argentinischen Militärdiktatur (1976-83) gefangen. Vor Gericht gehört er heute zu den wichtigsten Zeugen.
Über 5000 Menschen wurden in der ESMA gequält, auch mit Elektroschocks. Die Gefangenen, die keinen Wert mehr für Militärs und den Geheimdienst hatten, wurden betäubt aus Flugzeugen über dem Río de la Plata abgeworfen.
Die meisten Körper verschwanden spurlos. Keine Leichen – keine Beweise, so war es wohl geplant. Auch wissen die wenigen Überlebenden die richtigen Namen ihrer Folterer nicht. Doch da sind die Fotos von Victor Basterra.
Die Fotos sind als Beweise unumstösslich
Weil Basterra von Beruf Drucktechniker war, wurde er im Folterzentrum zum nützlichen Sklaven: Er musste Fotos der Militärs machen – etwa in zivil oder Polizeiuniform – und Dokumente für sie fälschen.
Die Negative sammelten die Militärs zwar ein, doch: «Wenn sie vier Dokumente wollten, entwickelte ich fünf Fotos. Brauchten sie fünf, entwickelte ich sechs Bilder, immer eins zu viel. Und dieses versteckte ich in der Kiste mit dem fotosensiblen Papier. Das war der einzige Ort, den sie nicht durchsuchten.»
Basterra riskierte sein Leben. Er schmuggelte Bilder von Tätern und auch von Opfern in der Unterwäsche aus dem Gebäude, als er nach Jahren ab und zu seine Frau besuchte und schliesslich 1983 freigelassen wurde: «Sie liessen uns leben, weil wir nützlich waren und weil sie dachten, sie hätten uns gebrochen.»
Die Bilder gehören heute zu den wichtigsten Beweisen im Mammutprozess, in dem 54 Diktaturverbrecher vor Gericht stehen. Der Staatsanwalt fordert lebenslänglich für jeden von ihnen. Das Urteil wird an diesem Mittwoch erwartet.
Pakt des Schweigens
Noch vor kurzem hätte niemand daran gezweifelt, dass alle Angeklagten auch tatsächlich verurteilt würden. Doch in Politik und Justiz gebe es in Argentinien derzeit eine Tendenz, die Verbrechen der Diktatur zu verharmlosen, sagt Victor Basterra: «Viele Diktaturverbrecher bekommen Hafterleichterungen oder dürfen ihre Strafe zu Hause absitzen.» Tatsächlich stehen inzwischen mehr als die Hälfte der 1064 verurteilten oder mutmasslichen Diktaturverbrecher unter Hausarrest – anstatt in einer Gefängniszelle zu sitzen.
Ich werde weiter für Gerechtigkeit kämpfen, das habe ich meinen toten Compañeros versprochen.
Ein Altern im eigenen Wohnzimmer, das will Basterra den Diktaturverbrechern nicht gönnen: «Sie halten sich an einen Pakt des Schweigens, anstatt bei der Aufklärung zu helfen.» Noch immer wissen Zigtausende von Menschen nicht, was mit ihren Familienangehörigen in der Diktatur passierte.
Der grösste Diktaturprozess in Argentinien steht vor seinem Ende, aber die Aufarbeitung geht weiter, dafür wollen Menschenrechtsorganisationen kämpfen. Victor Basterra sagt, er habe Beweise gegen 40 weitere Täter, die bisher noch nicht einmal angeklagt sind. Und für deren Verurteilung wird er für seine toten Compañeros weiterkämpfen.
Militärjunta in Argentinien
Es war eine blutige Diktatur, die vor 34 Jahren in Argentinien endete: 30'000 Menschen wurden nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen in der Zeit von 1976 und 1983 ermordet. Die meisten Leichen wurden nie gefunden. Die Marineschule Escuela de Mecánica de la Armada (ESMA) war das grösste von mehr als 340 Folterzentren der Junta. Allein hier wurden mehr als 5000 Menschen gequält. Der Prozess «Megacausa Esma», in dem auch die Piloten der Todesflüge angeklagt sind, ist der bislang grösste Prozess gegen die Diktaturverbrecher. Die Aufgabe der Staatsanwaltschaft: die Rekonstruktion der brutalen Tötungsmaschinerie.
Die maximale Anzahl an Codes für die angegebene Nummer ist erreicht. Es können keine weiteren Codes erstellt werden.
Mobilnummer ändern
An diese Nummer senden wir Ihnen einen Aktivierungscode.
Diese Mobilnummer wird bereits verwendet
E-Mail bestätigen
Wir haben Ihnen ein E-Mail an die Adresse {* emailAddressData *} gesendet. Prüfen Sie bitte Ihr E-Mail-Postfach und bestätigen Sie Ihren Account über den erhaltenen Aktivierungslink.
Keine Nachricht erhalten?
Wenn Sie nach 10 Minuten kein E-Mail erhalten haben, prüfen Sie bitte Ihren SPAM-Ordner und die Angabe Ihrer E-Mail-Adresse.
Wir haben Ihnen ein E-Mail an die Adresse {* emailAddressData *} gesendet. Prüfen Sie bitte Ihr E-Mail-Postfach und bestätigen Sie Ihren Account über den erhaltenen Aktivierungslink.
Keine Nachricht erhalten?
Wenn Sie nach 10 Minuten kein E-Mail erhalten haben, prüfen Sie bitte Ihren SPAM-Ordner und die Angabe Ihrer E-Mail-Adresse.
Sie können sich nun im Artikel mit Ihrem neuen Passwort anmelden.
Ein neues Passwort erstellen
Wir haben den Code zum Passwort neusetzen nicht erkannt. Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse erneut ein, damit wir Ihnen einen neuen Link zuschicken können.
Ihr Account wurde deaktiviert und kann nicht weiter verwendet werden.
Wenn Sie sich erneut für die Kommentarfunktion registrieren möchten, melden Sie sich bitte beim Kundendienst von SRF.