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Japanische Uni macht Frauen schlecht
Aus SRF 4 News aktuell vom 08.08.2018.
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Diskriminierung in Japan Elite-Uni macht Frauen schlecht – für die Quote

Der Skandal: An der Tokyo Medical University, einer Elite-Universität für angehende Ärztinnen und Ärzte, sind Frauen jahrelang systematisch diskriminiert worden. Um den Frauenanteil auf einer heimlich vereinbarten Quote von 30 Prozent zu halten, wurden den Kandidatinnen bei der Aufnahmeprüfung pauschal Punkte abgezogen. Bei den männlichen Kandidaten wurde die Punktezahl pauschal erhöht.

Die Ausrede: Die Praxis flog eher zufällig bei einer internen Untersuchung wegen Bestechungsvorwürfen auf. Die Hochschule begründete das Vorgehen mit der grossen Nachfrage der Spitäler nach Vollzeit arbeitendem Personal, wie SRF-Mitarbeiter Martin Fritz in Tokio berichtet. Ärztinnen dagegen seien wegen Familien und Schwangerschaften nicht uneingeschränkt im Schichtdienst verfügbar. Die Frauenquote sei eingeführt worden, nachdem sich immer mehr Frauen um ein Medizinstudium beworben hätten. Die Universitätsleitung hat sich inzwischen entschuldigt.

Japan
Legende: Die Universitätsleitung entschuldigt sich vor den Medien für die jahrelange Diskriminierung von Frauen. Keystone

Das missbrauchte Vertrauen: Die Tokyo Medical University als private Hochschule hätte vermutlich eine Frauenquote einführen können. Da sie das aber heimlich tat, gaukelte sie der Öffentlichkeit vor, dass alle die gleichen Chancen auf einen Studienplatz hätten. Laut Fritz ist in Japan der Glaube an faire und unparteiische Zulassungsprüfungen an Universitäten sehr gross. Die Manipulationen hätten die Japaner ebenso stark geschockt wie die die Tatsache, dass die Frauen die Benachteiligten waren.

Die Realität: Das Phänomen sei in Japan vermutlich weit verbreitet, wenn auch nicht unbedingt durch die Manipulation von Testergebnissen, schätzt Fritz. So stamme zwar die Hälfte der Universitätsabschlüsse von Frauen, doch in der Arbeitswelt sei der Anteil viel niedriger: Frauen sind auf hochbezahlten Posten und in Führungspositionen kaum vertreten. Das liegt an der sehr frühen Auswahl durch Institutionen und Unternehmen, die Frauen weniger fördern und ihnen weniger zutrauen als Männern.

Die Manipulationen haben die die Japaner mindestens ebenso geschockt wie die Tatsache, dass die Frauen betrogen wurden.
Autor: Martin Fritz

Die Erwartung: Auch wenn noch in vielen Gesellschaften Frauen diskriminiert werden, so sei das konservative Denken in Japan doch deutlich stärker ausgeprägt als etwa in der Schweiz, erklärt Fritz. Die Manager und Politiker, die das Sagen haben, erwarten von einer Frau, dass sie heiratet, Kinder bekommt und ihrem Vollzeit arbeitenden Mann den Rücken freihält. Deshalb werden Frauen vor allem für Teilzeit- und Zeitarbeitsjobs eingestellt und erhalten Posten mit wenig Verantwortung. Wenn sie schwanger werden, erwarten die Kollegen und das Unternehmen, dass sie kündigen und sich um das Kind kümmern.

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Legende: Die Tokyo Medical University begründet die systematische Diskriminierung mit der Nachfrage nach Vollzeit-Stellen. Keystone

Der Teufelskreis: Eine derartige Politik kann sich das Land mit einer zunehmend älteren Gesellschaft nicht leisten. Doch die grosse Mehrheit der japanischen Männer erwartet von ihren Frauen weiterhin, dass sie sich ganz allein um das Kind kümmern. Sie machen auch so gut wie nichts im Haushalt. Sie argumentieren mit den extrem langen Arbeitszeiten. Umgekehrt zwingen diese langen Arbeitszeiten die jungen Mütter zur Aufgabe ihrer Arbeit – ein Teufelskreis, der letztlich zum Nachteil der japanischen Wirtschaft ist.

Die langsame Wandel: Die konservative Regierung von Shinzo Abe hat laut Fritz die bedenkliche Entwicklung erkannt. Er fördert die Berufstätigkeit von jungen Müttern und baut viele Kindergärten und Kindertagesstätten. Frauen dürfen per Gesetz bei Mutterschaft nach einem Jahr an ihre frühere Stelle zurückkehren. Die Frauenarbeitsquote ist unter Abe auf eine japanische Rekordhöhe gestiegen. Doch der Mentalitätswandel hält mit den ökonomischen Bedürfnissen durch den grossen Arbeitskräftemangel nicht Schritt, wie Fritz erklärt.

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