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Diskriminierung in Kenia Schwule und Lesben hoffen aufs höchste Gericht

In Kenia ist ein für heute erwartetes Urteil des Verfassungsgerichts zur möglichen Entkriminalisierung der Homosexualität auf Ende Mai verschoben worden. Das Urteil wird von Schwulen und Lesben mit Spannung erwartet – denn in Kenia wird schwer bestraft, wer mit Gleichgeschlechtlichen Sex hat.

Gegen das geltende Gesetz, das noch aus der Kolonialzeit stammt, hatten Menschenrechts-, Schwulen- und Lesben-Organisationen geklagt. SRF-Korrespondentin Anna Lemmenmeier über die schwierige Lage, in der sich Homosexuelle in Kenia befinden.

Anna Lemmenmeier

Auslandredaktorin

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Anna Lemmenmeier ist Auslandredaktorin zuständig für Mittelamerika, Mexiko und die Karibik. Von 2017-2024 war sie Afrika-Korrespondentin von Radio SRF und lebte in Nairobi. Davor war sie Mitglied der Wirtschaftsredaktion. Sie hat internationale Beziehungen, Geschichte und Völkerrecht an den Universitäten von Bern, Genf und Ghana studiert.

SRF News: Was erhoffen sich die Kläger konkret vom Urteil des Verfassungsgerichts?

Anna Lemmenmeier: Sie hoffen, dass zwei Artikel im Strafgesetz abgeschafft werden, welche Homosexualität strafbar machen. Für die Kläger sind die Artikel nicht mit der Verfassung vereinbar. Dort steht, dass niemand diskriminiert werden darf. Das gelte auch für die sexuelle Orientierung, so die Kläger. Entsprechend enttäuscht zeigen sie sich jetzt – drei Jahre nach Einreichung der Klage –, dass der Entscheid verschoben wurde.

Überführten Schwulen drohen bis zu 14 Jahre Gefängnis.

Wie zeigt sich die Diskriminierung von Lesben und Schwulen im kenianischen Alltag?

Das geht von Schwierigkeiten bei der Job- und Wohnungssuche über den Verstoss aus ihrer Familie oder ihrer Gemeinschaft bis hin zu gewalttätigen Angriffen von Unbekannten auf Schwule und Lesben. Hinzu kommen diskriminierende Handlungen des Staates. So konnte etwa die Polizei bis vor einem Jahr medizinische Untersuchungen dazu anordnen, ob zwei Männer miteinander Sex hatten. In diesem Fall drohen den Betroffenen derzeit bis zu 14 Jahre Gefängnis.

Männer und Frauen, einer hält ein Regenbogenfähnchen in die Luft.
Legende: Zahlreiche Aktivisten und Aktivistinnen warteten im Verhandlungsraum auf den Gerichtsentscheid – der allerdings ausblieb. Reuters

Wie steht die kenianische Gesellschaft grundsätzlich zur Homosexualität?

Das kommt sehr darauf an, mit wem man spricht. Die junge, gebildete Generation sagt eher, jeder habe das Recht, sein Leben zu leben, wie sie oder er das möchte. Was die Leute in ihrem Schlafzimmer machen, gehe niemanden etwas an, auch den Staat nicht. Grundsätzlich aber hat die Mehrheit der Kenianerinnen und Kenianer Mühe mit Homosexualität. Es sei unafrikanisch, unnatürlich und gegen den Willen Gottes, schwul oder lesbisch zu sein, sagen viele.

Die Haltung einer sehr konservativen und religiösen Gesellschaft wird sich nicht auf einen Schlag ändern.

Wie begründet die Kirche ihren Widerstand gegen Lesben und Schwule?

Die Kirche spielt eine wichtige Rolle bei der Hetze gegen Schwule und Lesben – wie übrigens auch die muslimischen Religionsführer. Viele Kenianer führen die Bibel als Argument gegen Homosexualität ins Feld. Diese sage, man solle fruchtbar sein und sich vermehren. Das sei für Homosexuelle nicht möglich, deshalb verstosse Homosexualität gegen die Bibel und das Christentum.

Was würde sich in Kenia konkret ändern, wenn das Verfassungsgericht im Mai die diskriminierenden Gesetzesartikel abschaffen würde?

Auf kurze Sicht wohl nicht viel. Die Haltung einer sehr konservativen und religiösen Gesellschaft wird sich nicht wegen der Abschaffung der Gesetzesartikel auf einen Schlag ändern. Doch es wäre ein wichtiges Zeichen für die Zukunft. Allerdings ist unklar, ob auch eine Debatte in den Medien angestossen würde. So war der erwartete Verfassungsgerichtsentscheid in den letzten Tagen in den kenianischen Medien kein Thema, über den Fall wurde nicht öffentlich gesprochen. Diskutiert wurde praktisch ausschliesslich in der schwul-lesbischen Community und auf Twitter.

Das Gespräch führte Claudia Weber.

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