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Drehscheibe Schweiz Auf der Spur von Putins Gold

Seit Beginn des Angriffskriegs in der Ukraine sind 75 Tonnen Gold russischen Ursprungs in die Schweiz gelangt.

Spielte die Schweizer Goldbranche eine Rolle bei der Finanzierung von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine? Gemeinsame Recherchen von Rundschau und WOZ zeigen: Schweizer Goldraffinerien haben in den letzten Jahren grosse Mengen an Gold russischen Ursprungs aus London verarbeitet.

110 Tonnen Gold im Wert von über sechs Milliarden Franken gingen seit 2021 durch die Schweizer Schmelzöfen. Alleine ab Kriegsbeginn im März 2022 waren es 75 Tonnen. Das zeigen offizielle Zahlen des Bundesamts für Zollverwaltung und Grenzsicherheit (BAZG).

Grafik zu Importen
Legende: SRF

Die Zahlen zeigen eine sprunghafte Zunahme des Imports von Gold russischen Ursprungs in die Schweiz. Vor dem Krieg importierte die Schweiz im Schnitt jährlich nur etwa 20 Tonnen Gold russischen Ursprungs. Zum Vergleich: Alleine in den ersten fünf Monaten dieses Jahres gelangten nun 38 Tonnen Gold russischen Ursprungs von London in die Schweiz.

Von Moskau nach UK in die Schweiz

Die Spur des Russland-Goldes führt über Grossbritannien: Bis 2018 exportierte Russland nur wenig Gold dorthin. Dann explodierten die Goldmengen 2019 richtiggehend: Von 2019 bis Kriegsausbruch verkaufte Russland über 700 Tonnen Gold nach London – mit einem Wert von über 34 Milliarden Franken. Das zeigen Daten des britischen Aussenhandelsamtes.

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Legende: SRF

Der Schweizer Edelmetallexperte Bernhard Schnellmann erklärt die Zunahme so: «Die russische Zentralbank hat Mitte 2019 aufgehört, Gold aufzukaufen und dann später die Mehrwertsteuer auf Gold gestrichen.» So seien die Goldexporte massiv gestiegen.

«Goldexport als Kriegsvorbereitung»

Der ehemalige Strafrechtsprofessor und Experte für Goldhandel Mark Pieth hat eine andere Erklärung. Er sieht einen klaren Zusammenhang zur russischen Invasion der Ukraine: «Ich gehe davon aus, dass es bei diesen Verkäufen um Kriegsvorbereitung ging.»

Für Pieth liegt also der Verdacht auf dem Tisch, dass Russland mit massivem Goldexport die Kriegskasse gefüllt haben könnte. Neben den Einkünften aus Gas- und Ölverkaufen könnte auch das russische Gold geholfen haben, den Angriffskrieg auf die Ukraine zu finanzieren.

Dass dieses Gold mutmasslich auch in der Schweiz verarbeitet wurde, ist laut Pieth problematisch. Zwar verdient das russische Regime aktuell nicht an den Geschäften mit. «Wenn Schweizer Raffinerien dieses Gold nun importieren und umschmelzen, ist das rechtlich zwar unproblematisch, ethisch aber sehr fragwürdig», so Pieth.

Das betont auch Swissaid-Rohstoffexperte Marc Ummel. Mit dem Umschmelzen werde «ethisch fragwürdiges Russengold» zu Gold mit Schweizer Gütesiegel. «Man verliert die Rückverfolgbarkeit des Goldes, was sehr problematisch ist», so Ummel.

Schweizer Raffinerien weisen Kritik zurück

Die Goldraffinerien in der Schweiz sehen in der Verarbeitung von Gold russischen Ursprungs keinen Zusammenhang zu Kriegshandlungen Russlands. Christoph Wild, Präsident der Schweizerischen Vereinigung der Edelmetallfabrikanten und -händler, sagt auf Anfrage: «Dieses Gold ist nicht sanktioniert und hat nichts mit ethisch oder nicht ethisch zu tun. Es ist produziert worden, bevor der Krieg angefangen hat.»

Sofern belegt werden könne, dass es sich um Gold handle, das vor Kriegs- und damit Sanktionsbeginn aus Russland nach Grossbritannien exportiert worden sei, sehe er keine ethischen Problem bei der Verarbeitung dieses Goldes. Wild: «Es ist kein Verschwindenlassen von Russengold.»

Zollverwaltung: «Es ist alles rechtens»

In der Schweiz gilt ein Verbot, Gold aus Russland «zu kaufen, einzuführen oder zu transportieren». Das hat der Bundesrat im August 2022 beschlossen.

Bezüglich des in den letzten Jahren in die Schweiz importierten Goldes russischen Ursprungs sagt die Zollverwaltung: «Es ist alles rechtens.» Die Importe seien geprüft worden. Das Gold komme zwar ursprünglich aus Russland, sei aber bereits vor Kriegsbeginn im Februar 2022 nach Grossbritannien exportiert worden. Es stamme also nicht direkt aus Russland und diene somit auch nicht der direkten Kriegsfinanzierung.

SRF Rundschau, 28.06.2023, 20:05 Uhr

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