Stein um Stein wurde die mindestens in Dänemark weltbekannte Pusher Street, das gut 100 Meter lange Strassenstück mit Kopfsteinpflaster im Herzen von Christiania, abgetragen. Hier hatten die Drogenhändler ihre Marktstände und verkauften neben Haschisch oft auch andere Suchtmittel. Jahrzehntelang von den Bewohnerinnen und Bewohnern des alternativen Stadtteils geduldet, stets aber ohne gesetzliche Grundlage. Nun ist aber Schluss, wie ein Mann bei der kollektiven Räumungsaktion am Wochenende auf dem YouTube-Kanal der Freistadt erklärte. «Das war eine schwierige Entscheidung. Aber nun verabschieden wir uns von der Pusher Street.»
Dem kollektiven Schlussstrich, an dem sich mehrere 100 Menschen beteiligten, waren jahrelange Diskussionen vorausgegangen. Immer wieder hat es Versuche gegeben, den Drogenhandel aus Christiania zu verbannen. Immer wieder hatte auch die Kopenhagener Polizei Razzien in der Freistadt durchgeführt. Stets waren die Dealer jedoch schon nach wenigen Tagen wieder vor Ort auf der Pusher Street.
Verhältnis verschlechterte sich
Aber dann nahm die Gewalt im Umfeld der offenen Drogenszene zu und das Verhältnis zur Quertierbevölkerung verschlechterte sich zusehends, berichtete die Mediensprecherin von Christiania, Mette Prag, bei einem Interview vor der Räumung. «Die Dealer versuchten, uns immer mehr einzuschüchtern, und es kamen immer schlimmere Typen an die Pusher Street», so Prag. Sie gehörte vor einem halben Jahrhundert zu den ersten Bewohnerinnen und Bewohnern. Heute leben etwa 1000 Personen auf dem gut 34 Hektar grossen Territorium im Kopenhagener Hafengebiet.
Nach einer Schiesserei unter Dealern, bei der vor Kurzem auch ein unbeteiligter Quartierbewohner ums Leben kam, setzte sich in Christiania die Einsicht durch, dass es einen Schlussstrich brauche. Dieser bedingte auch die Bereitschaft zur Aufgabe einer der ursprünglichen Forderungen der Freistadt, nämlich der Legalisierung des Haschischkonsums, so wie es zum Beispiel gerade im südlichen Nachbarland Deutschland umgesetzt worden ist.
Platz für Familien
«Ohne die in Dänemark geltende Kriminalisierung hätte es keine brutalen Drogenbanden in Christiania gegeben. Aber da die Politik von einer Entkriminalisierung nichts wissen will, wir aber überleben wollen, mussten wir handeln», erklärte die Mediensprecherin der Freistadt. Sie hat – wie ein Grossteil der angestammten Bevölkerung des Alternativquartiers – das Rentenalter erreicht.
Die Pusher Street verschwindet von der Bildfläche.
Als dann am Sonntagabend die letzten Pflastersteine der berüchtigten Pusher Street in einem Schubkarren landeten, brach unter den beteiligten Quartierbewohnerinnen und -bewohnern Jubel aus. Dabei dürfte der illegale Drogenhandel nach der Verbannung von der abgetragenen Pusher Street in anderen Teilen Kopenhagens nach neuen Handelsplätzen suchen.
Im Herzen von Christiania aber beginnt eine neue Zeitrechnung. Wo bis vor wenigen Tagen noch die Verkaufsbuden der Dealer standen, soll nun Wohnraum für Familien mit Kindern entstehen.