Afghanistans grösstes Exportprodukt ist Opium. 90 Prozent des Opiums im weltweiten Umlauf stammt aus dem Land, das selbst viele Drogenabhängige zählt. Genaue Statistiken gibt es aber ebenso wenig wie Auffangzentren oder Behandlungsstationen.
Die Frau, die sich den Drogenabhängigen in Kabul angenommen hat, heisst Laila Haidari. Hinter dem Steuer ihres alten Toyota Corolla fährt sie durch die verstopften Strassen und flucht dabei nicht schlecht. Manchmal sei das nötig, um im Verkehrschaos überhaupt ernst genommen zu werden, sagt die 40-Jährige.
Laila Haidari ist auf dem Weg ins Rehabilitierungszentrum für Drogenabhängige. Auf der Pul-e Sokhta Brücke über den fast ausgetrockneten Fluss Kabul hält sie an. Die Brücke ist ein bekannter Ort für Drogenabhängige. Hier nimmt Laila Haidari regelmässig Männer mit, die von den Drogen loskommen wollen.
Viele seien es nicht, so um die fünf im Monat, sagt Laila Haidari. Auch die Kapazität in ihrem Zentrum ist begrenzt. 20 Drogenabhängige betreut sie zurzeit in ihrer Entzugsklinik. Allesamt Männer. Sie sitzen im Innenhof auf Plastikstühlen oder schauen fern im Keller, wo auch ihre Pritschen stehen. Zigaretten sind erlaubt, sonst aber nichts.
Laila Haidari hat mich unter der Brücke geholt. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar.
Die Männer sind kurzgeschoren und tragen blaue Spitalgewänder. Die Haarstoppel geben an, wie lange jeder einzelne schon hier ist. Denn bei Ankunft werden die Männer kahlgeschoren, die verlausten Kleider verbrannt.
Der Kopf des 25-jährigen Abdul Khalid ist noch recht kahl, er ist erst seit einer Woche hier. Zuvor war auch er unter der Brücke und nahm Heroin: Laila Haidari habe ihn von dort weggenommen. Dafür sei er ihr unendlich dankbar, denn niemand sonst kümmere sich um die Menschen unter der Brücke.
Kaltes Wasser statt Medikamente
Für Abdul Khalid ist Laila Haidari so etwas wie eine zweite Mutter. Die Entzugsstation heisst denn auch «Mother Trust Organisation». Doch viel mehr als bemuttern kann Laila Haidari ihre Patienten nicht. Denn sie hat keine Ausbildung als Pflegerin und kein Geld für Medikamente.
Als Mittel gegen die Schmerzen des Entzugs dient eiskaltes Wasser: «Eine kalte Dusche ist so gut wie jedes Schmerzmittel», sagt die hemdsärmelige Haidari. Ohnehin sei die eigentliche Behandlung weniger eine medizinische, sondern vielmehr eine psychologische.
Denn in ihrem Innenhof könnten die Männer über ihre Sucht reden und Erfahrungen austauschen mit jenen, die schon länger clean sind. Sie arbeiten als freiwillige Helfer – wie der Bruder von Laila Haidari, Haqqim: Er war vor zehn Jahren der erste «Patient». Sie sei damals aus dem Exil nach Afghanistan zurückgekehrt, um ihn von seiner Drogensucht zu befreien.
Hier muss man sich selbst helfen.
Haqqims Abhängigkeit war der Grund, warum sich seine Schwester überhaupt dem Thema angenommen hat und begann, den anderen Menschen unter der Pul-e Sokhta Brücke zu helfen: «In Afghanistan kann man nicht einfach warten, bis andere Menschen zu Hilfe eilen. Hier muss man sich selbst helfen.» Das will Laila Haidari ändern.