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Drogenkriminalität Frankreich Das steckt hinter den Angriffen auf französische Gefängnisse

Die Angriffswelle auf Gefängnisse in Frankreich deutet ein Experte als Einschüchterungsversuch der Drogenbanden.

Unter der Parole «Verteidigung der Rechte der französischen Gefangenen» wurden in den vergangenen Wochen Gefängnisse und deren Mitarbeitende angegriffen. Die Justiz geht von einem Zusammenhang mit der organisierten Drogenkriminalität aus. Wie gross ist das Problem der Drogenbanden in Frankreich?

Für Justizminister Gérald Darmanin ist klar: Die Drogenkriminalität im Land ist alarmierend und muss bekämpft werden. Die jüngsten Angriffe sieht er als Reaktion auf den verschärften Kampf gegen die Drogenbanden und als Einschüchterungsversuch gegen den Staat. «Was Frankreich gerade macht, ist hart und ein echter Gamechanger im Kampf gegen die Drogenkriminalität», sagte er in den französischen Medien.

Frankreichs Kampf gegen Drogenkriminalität

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Frankreich hat vor kurzem ein Gesetz zur Bekämpfung der Drogenkriminalität verabschiedet – unterstützt von links bis rechts, nur die Linksaussen-Partei La France Insoumise stimmte dagegen. Das Gesetz setzt den Hebel auf mehreren Ebenen an. So soll eine nationale Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität geschaffen werden. Ausserdem sollen in bestimmten Gefängnissen die Haftbedingungen für Drogenkriminelle verschärft werden. Laut dem Justizminister Gérald Darmanin soll es für sie unmöglich sein, mit der Aussenwelt zu kommunizieren. Etwas, was in Frankreich immer wieder vorkommt.

Zudem wird Darmanin im Sommer das erste von drei Hochsicherheitsgefängnissen für Drogenkriminelle eröffnen. Dort sollen die gefährlichsten Drogenhändler inhaftiert und – laut Darmanin – weitgehend isoliert werden.

Die jüngsten Angriffe fallen tatsächlich in eine Zeit, in der Frankreich seinen Kampf gegen die Drogenkriminalität intensiviert. Erst kürzlich wurde ein neues Gesetz von der Nationalversammlung verabschiedet, das darauf abzielt, der Drogenkriminalität das Handwerk zu legen. Für Darmanin dürften sich die Drogenbanden auch deswegen in die Enge gedrängt fühlen.

Zeichen von Stärke oder Schwäche der Drogenbanden?

Michel Gandilhon, Experte für Sicherheits- und Verteidigungsfragen am «Conservatoire national des arts et métiers», sieht die Angriffe auch als Versuch der Einschüchterung, deutet sie aber nicht unbedingt als Zeichen der Schwäche der Drogenbanden: «Da die organisierte Drogenkriminalität in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat, könnte dies ein Zeichen dafür sein, dass das organisierte Verbrechen zuletzt an Einfluss gewonnen hat.»

Kriminelle Organisationen haben in bestimmten Gebieten die Macht über die Bevölkerung und kontrollieren den öffentlichen Raum.
Autor: Michel Gandilhon Experte für Sicherheits- und Verteidigungsfragen

Seit den 1980er-Jahren habe sich die regionale und lokale Verankerung des organisierten Verbrechens durch den wachsenden Drogenmarkt weiterentwickelt, erklärt Gandilhon. Heute konzentriere sich der Drogenhandel zwar weiterhin auf die Grossstädte und deren Vororte, habe sich jedoch auch auf ländliche Gebiete ausgeweitet. «Das ist logisch, denn der Konsum in Frankreich nimmt stark zu», so der Experte.

Drogenkriminalität in Frankreich und die Auswirkungen

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Der Einfluss des Drogenhandels in Frankreich ist seit Jahren ein wachsendes Problem, das zeigt auch der Blick in die Zahlen:

Letztes Jahr starben mehr als 100 Menschen im Zusammenhang mit dem Drogenhandel, 2023 waren es noch mehr. Die Zahl der Konsumentinnen und Konsumenten ist ebenfalls gestiegen. Laut der französischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht haben 2023 mehr als eine Million Menschen mindestens ein Mal Kokain konsumiert.

Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Beschlagnahmungen wider: Im vergangenen Jahr wurden rund 53 Tonnen Kokain sichergestellt, das ist mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr.

Gandilhon beobachtet diese Entwicklung mit Sorge: «Kriminelle Organisationen haben in bestimmten Gebieten die Macht über die Bevölkerung und kontrollieren den öffentlichen Raum.» Zudem hätten die Drogenhändler immer mehr Geld, und damit Einfluss auf die lokalen Institutionen.

Strassenszene mit mehreren 30-km/h-Schildern.
Legende: Unter anderem beim Gefängnis in Nanterre wurde der Schriftzug «DDPF» (defends des droits prisonniers français) gesprayt. Keystone/EPA/TERESA SUAREZ

Kurz gesagt: Mehr Konsum führt zu mehr Geld und damit zu mehr Macht für die Drogenhändler.

Gute Gesetze, zu wenig Mittel

Gandilhon ist überzeugt, dass man das organisierte Verbrechen nicht ganz ausrotten könne: «Das zu denken ist illusorisch.» Ziel müsse es aber sein, die Auswirkungen für Staat und Bevölkerung zu begrenzen.

Gefängnis mit Wachtturm hinter einer Strasse und grünem Zaun.
Legende: Auch das Gefängnis in Aix-en-Provence wurde im letzten Monat attackiert. REUTERS/Manon Cruz

Ist das neue Gesetz also der Gamechanger im Kampf gegen die Drogenkriminalität in Frankreich? Gandilhon ist skeptisch: «In Frankreich haben wir bereits viele geeignete Instrumente auf dem Papier, nur fehlen dann die Mittel, um sie umzusetzen.» Auch das neue Gesetz benötige letztendlich genügend personelle und finanzielle Mittel, um die Drogenkriminalität wirksam bekämpfen zu können.

Doch hier liegt das nächste Problem: die angespannte Haushaltslage Frankreichs. Es bleibt also abzuwarten, ob das Gesetz den gewünschten Erfolg bringt, im Kampf gegen die Drogenkriminalität.

Rendez-vous, 27.5.2025, 12:30 Uhr;liea

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