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Dürre in Somalia Der Hunger treibt die Menschen in die Stadt

Weil kein Regen fällt, ziehen viele Bauernfamilien nach Baidoa. Die Landflucht schafft Probleme in der Kleinstadt. Der Bürgermeister sucht nach Lösungen.

Auf dem langen Weg in die Stadt starb erst der Esel, dann ihre vierjährige Tochter, erzählt Naima Mohammend. Kurz davor hatte die Witwe beschlossen, ihr Dorf zu verlassen. Ihre Ziegen waren tot, die Felder leer. Also packte sie ihre Habseligkeiten auf den Esel und zog Richtung Stadt.

Zeit für Trauer blieb unterwegs nicht. Mohammed begrub die Tochter neben der Strasse. Dann ging sie mit sieben Kindern weiter. Zwei Tage marschierte die Familie.

Eine Somali-Frau sitzt mit drei Kindern in einem Zelt.
Legende: Naima Mohammed hat auf der Flucht eines ihrer acht Kinder verloren. Die Witwe ist im Lager auf Spenden ihrer Nachbarn angewiesen. Samuel Burri/SRF

Nun sitzt die Mutter in einem halbkugelförmigen Zelt, in einem Vertriebenenlager in der Stadt Baidoa. Auf dem Arm schreit ihr Baby, sie wiegt es sanft. «Ich habe keine Milch, um meine Tochter zu stillen», erklärt Mohammed, «sie wird immer dünner». Ihre Kinder verstünden nicht, wieso es nichts gebe. «Nur Allah weiss, wo die nächste Mahlzeit herkommen wird.»

Rund um Baidoa stehen zehntausende Zelte aus Ästen und Tüchern. Auf den staubigen Feldern leben bereits 600'000 Vertriebene. Täglich kommen laut UNO rund 1000 neue an. Die registrierten Geflüchteten erhalten Hilfe mit Geldtransfers aufs Handy. Doch es ist nicht genug. Ein Drittel aller Kinder ist unterernährt, in Baidoa droht eine Hungersnot.

Einst die Kornkammer Somalias

Kaum zu glauben, dass dies hier einst die Kornkammer Somalias war. «Baidoa war das Hirse-Zentrum, wir produzierten Millionen Tonnen, auch Mais», erzählt Bürgermeister Abdullahi Watiin. Der smarte Mann in Jeans und weissen Turnschuhen ist täglich unterwegs, beschützt von einer bewaffneten Patrouille.

Neben dem Klima hat Baidoa ein zweites Problem: Die Stadt ist von der Terrormiliz Al-Shabaab umringt. Trotz Dürre und Hunger treibt sie noch immer Steuern ein. Auch das führt zur Landflucht.

Mann sitzt vor Flaggen Somalias und der Bay-Region
Legende: Abdullahi Watiin in seinem Büro. Der Bürgermeister von Baidoa versucht, die Probleme seiner Stadt zu meistern. Samuel Burri/SRF

«Der Druck auf die Stadt ist gross», gesteht der Bürgermeister. Viele Ressourcen, wie Wasser oder Strom, sind limitiert. Die Gesundheitsversorgung ist rudimentär, die Arbeitslosigkeit hoch. In Baidoa leben bereits dreimal so viele Vertriebene wie Einwohner.

«Doch wir wollen als Stadt alle willkommen heissen», so Watiin. Dafür sucht der Bürgermeister nach Lösungen. Er schmeisst sich in Schale und empfängt internationale Organisationen und Geldgeber.

Viele werden in der Stadt bleiben

Auch die 19-jährige Nuriya Meris lebt im Zeltlager. Doch tagsüber geht sie in die Innenstadt, dort sitzt sie in einem Kleidergeschäft an der Nähmaschine. «Ich habe Schneidern gelernt und kann nun damit Geld verdienen», erklärt die junge Frau. Rund zwei Franken erhält sie pro Kleid.

Frau sitzt an Nähmaschine
Legende: Nuriya Meris arbeitet als Näherin in der Innenstadt. Sie will in Baidoa bleiben. Samuel Burri/SRF

Die Ausbildung und das Geld für die Nähmaschine erhielt sie durch ein Projekt. Die UNO-Migrationsagentur IOM und die Afrikanische Entwicklungsbank bilden in Baidoa junge Vertriebene aus.

Nuriya kam schon vor fünf Jahren in die Stadt, auf der Flucht vor Al-Shabaab. Zurück will die junge Frau nicht mehr: «Ich weiss nicht, wie die Lage derzeit in meinem Dorf ist. Doch unterdessen fühle ich mich wohl in der Stadt. Ich habe eine Arbeit hier.»

Belebte Strasse mit Fussgängern und Tuktuks
Legende: Baidoa ist das Zentrum Südwestsomalias. Die Stadt ist von der Terrormiliz Al-Shabaab eingekesselt. Samuel Burri/SRF

Die meisten Vertriebenen werden nie mehr in ihr Dorf zurückkehren. In Somalia, am Horn von Afrika, fällt kaum mehr Regen. Der Klimawandel hat ganze Landstriche unbewohnbar gemacht.

Die Dürre am Horn von Afrika

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Somalia und seine Nachbarländer leiden unter der schlimmsten Dürre seit Jahren. Rund 36 Millionen Menschen sind davon betroffen, so die UNO. Bereits sind vier Regenzeiten in Folge ausgefallen, auch jetzt fällt wieder kein Regen. Zehn Millionen Nutztiere sind bereits gestorben.

Die UNO warnt, dass es in den nächsten Monaten in Somalia zu einer Hungersnot kommen könnte. Eine Hungersnot wird nur sehr selten ausgerufen, in den letzten 20 Jahren geschah dies weltweit zweimal.

Neben der Dürre sorgt auch die Terrormiliz Al-Shabaab für Probleme in Somalia – sie erschwert die Hilfe zusätzlich. Die internationale Antwort auf die Hungerkrise ist, auch wegen des Ukraine-Krieges, nur sehr langsam angelaufen.

Alleine kann die Stadt die Herausforderung nicht stemmen, das weiss Bürgermeister Watiin. Mit seinen bewaffneten Männern fährt er an den Stadtrand. Hier, im Aussenquartier Barwaaqo, haben über 2000 vertriebene Familien in Blechhütten ein neues Zuhause gefunden. Finanziert von Hilfsorganisationen.

Landbesitz bietet eine Perspektive

Vater Hassan Ismail öffnet sein Wellblechhaus. Es ist ein Raum mit einem Bett, hier schlafen auch die sieben Kinder. Die Blechhütte ist keine Bleibe für immer, doch sie bietet mehr Schutz als ein Zelt. Und der entscheidende Unterschied, so Ismail: «Das Grundstück hier gehört mir.»

Der Landbesitz soll den Menschen eine Perspektive und Sicherheit bieten. Im Quartier gibt es zudem eine Schule und bald einen Markt.

Ismail lädt gegen Entgelt die Handys von Nachbarn. «Ich verkaufe auch Kabel und Handyzubehör als Strassenhändler.» So verdient er sich ein Zubrot.

Mädchen steht auf einem Erdhügel vor Stoffzelten
Legende: Rund um die Stadt Baidoa leben über eine halbe Million Menschen in selbstgebauten Zelten. Samuel Burri/SRF

Auch mit Landwirtschaft hatte es der 30-Jährige auf seinem Grundstück versucht, doch es funktionierte nicht. «Es fehlt das Wasser», gesteht Ismail. Seine Familie benötigt noch immer Lebensmittelhilfe.

Das neue Quartier ist keine Patentlösung, gibt auch Bürgermeister Watiin zu: «Die Bewohner sind weiter von Hilfe abhängig. Einige besitzen kleine Läden oder Tiere. Doch trotz Landbesitz sind es noch immer arme Familien.»

Hunger in Ostafrika: Glückskette ruft zu Spenden auf

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Das Horn von Afrika – Kenia, Somalia und Äthiopien – sowie der Sudan und Südsudan erleben derzeit eine der schlimmsten Dürren einer ganzen Generation, die sich über die letzten Jahre fortlaufend verschlimmert hat. Die aktuelle Dürre könnte eine der schlimmsten vom Klimawandel bedingten Krisen in der jüngeren Geschichte des Horns von Afrika werden.

36.1 Millionen Menschen in Kenia, Äthiopien und Somalia sind Schätzungen zufolge aufgrund der aktuellen Dürre am Horn von Afrika von Nahrungs- und Wasserknappheit betroffen. Zwei Distrikte in Somalia sind von einer unmittelbaren Hungersnot bedroht.

Die Glückskette ruft mit einem Spendetag am 23. November 2022 zu Spenden auf. Mit Spendengeldern aus der Schweizer Bevölkerung setzt die Glückskette gemeinsam mit ihren Schweizer Partnerorganisationen vor Ort Projekte um, die der Bevölkerung Zugang zu Lebensmitteln und Trinkwasser verschaffen. Zudem ermöglichen sie es Menschen – trotz des Verlusts ihrer Lebensgrundlage – Nahrung zu kaufen oder sie behandeln kranke und verletzte Personen.

Spenden via Link oder E-Banking IBAN: CH82 0900 0000 1001 5000 6 / Glückskette / 1211 Genf 8 / Postfinance / 3030 Bern

Dazu kommt, dass in den Zeltstädten um Baidoa noch 80'000 weitere Familien leben. Es ist schwer möglich, allen ein Stück Land zu geben. Doch der Bürgermeister hofft, dass das neue Quartier zumindest einigen den Schritt in die Unabhängigkeit ermöglicht.

«In Somalia war immer Notfall, seit 50 Jahren. Das müssen wir ändern.» Watiin will weg von der Nothilfe, zu mehr Eigenständigkeit. Die Menschen in den Blechhütten, am Stadtrand von Baidoa, haben einen ersten Schritt gemacht. Doch der Weg zu einem selbstbestimmten Leben bleibt lang und steinig.

SRF 4 News, 23.11.2022, 08:37 Uhr

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