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Dürre zwingt Nomaden südwärts «Klimakrieg» erschüttert Nigeria mehr als Terror

Nigeria wird in seiner Sicherheit an vielen Fronten bedroht. Im Norden terrorisiert die islamistische Miliz Boko Haram die Bevölkerung. Im Niger-Delta im Süden kommt es regelmässig zu Attacken von militanten Oppositionellen. Dazu kommen nun immer häufigere und längere Dürreperioden, die zu blutigen Konflikten und Flüchtlingsbewegungen führen.

Hunderttausende sind geflüchtet

Nicht Selbstmordattentäter also, sondern Kämpfe zwischen Hirten und Bauern um Weideland und Wasserstellen erschüttern zurzeit Nigeria. Diese seien für das westafrikanische Land in jüngster Zeit die weitaus grössere Gefahr als die islamistische Terrormiliz, hält die Denkfabrik International Crisis Group (ICG) in ihren neuen Bericht fest.

Mehr als 1300 Menschen wurden laut Bericht seit Anfang dieses Jahres bei Kämpfen zwischen nomadischen Stämmen und Bauerngemeinden im Zentrum des Landes getötet; etwa sechsmal mehr als durch Anschläge und Attacken der Terrormiliz. Rund 300'000 Menschen seien vor der Gewalt zwischen Hirten und Bauern bereits geflohen. Der Konflikt drohe zu eskalieren und das bevölkerungsreichste Land Afrikas zu destabilisieren, warnt die Nichtregierungsorganisation.

Klimakriege?

Infolge des Klimawandels gibt es im ohnehin trockenen Norden Nigerias immer weniger Weiden, auf denen die Tiere der nomadischen Stämme grasen können. Sie ziehen daher vermehrt gegen Süden und kommen mit den Bauerngemeinden in Konflikt. Die aus dem Norden stammenden Viehhirten sind primär Muslime und vom Volk der Fulani. Die Bauerngemeinden im Süden dagegen sind hauptsächlich Christen. Die Spannungen tragen deshalb immer auch ethnische und religiöse Züge.

Wenn so viele Menschen wegziehen müssten, weil die Weiden und Wasserstellen austrocknen, müssten sie ja irgendwo hin, schreiben die Autoren der Studie. Im Süden gerieten sie dann in Konflikte, wenn sie mit ihren ausgemergelten Kühen auf den Feldern der Farmer auftauchten. Das werde dann in den Medien verkürzt als religiöser Konflikt verschiedener Volksgruppen beschrieben. Dabei handle es sich aber um Klimakriege, so die International Crisis Group.

Wanderungsbewegungen belasten Städte zusätzlich

Solch drastische Beschreibungen der Auswirkungen des Klimawandels in Afrika sind wissenschaftlich umstritten. Wissenschaftler beschreiben die Folgen des Klimawandels differenzierter. Aber eines scheint klar: Klimaveränderungen führen zu Wanderungsbewegungen innerhalb eines Landes nicht nur innerhalb der ländlichen Regionen, sondern auch vom Land in die Städte.

Dieser Zustrom an Menschen auf der Suche nach Arbeit verschlechtert aber die Lage in den Städten weiter. Noch mehr Arbeitssuchende und noch mehr Belastung für die in Afrika oft ohnehin marode Infrastruktur in den Städten. Nigeria gehört zu den 40 ärmsten Ländern der Welt. Sie stellten die grösste Gruppe von Migranten, die im vergangenen Jahr über das Mittelmeer nach Italien reisten.

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