Mehr als sechs Monate nach der Parlamentswahl in den Niederlanden gibt es einen Durchbruch bei der Bildung einer Koalition. Die vier bisherigen Koalitionspartner erklärten sich bereit, über eine neue Regierung zu verhandeln. «Neuwahlen würden die Politik noch länger lähmen», sagte die linksliberale Fraktionsvorsitzende Sigrid Kaag.
In den vergangenen Monaten waren Gespräche mit anderen Parteien sowie auch die Bildung einer Minderheitsregierung gescheitert, es drohte eine Neuwahl. Auch nach der vorigen Wahl 2017 dauerte die Regierungsbildung lang – mit 225 Tagen war es sogar die längste der Geschichte des Landes. Nun dauern die Sondierungen bereits 190 Tage.
Warum sich die Parteien erneut so schwergetan haben mit einer Regierungsbildung, erklärt Elsbeth Gugger, SRF-Mitarbeiterin in Amsterdam, so: «Weil einfach jede Partei ihre Vorlieben hatte und nicht bereit war, diese auch nur ein kleines bisschen über Bord zu werfen.»
So habe wochenlang eine Pattsituation geherrscht. Letzte Woche habe sich Sigrid Kaag einen Ruck gegeben, als sie sagte: «Wenn es denn sein muss, bin ich bereit für eine Koalition mit der Christenunion.» Dies habe nun zu einem Durchbruch bei den Verhandlungen geführt, so Gugger.
Christenpartei gegen neues Gesetz
Der Grund, weshalb die Linksliberalen genau diese Partei monatelang als Koalitionspartner ausgeschlossen hatten, liegt darin, dass die kleine Christenunion im Gegensatz zu den Christdemokraten gesellschaftlichen Neuerungen sehr kritisch bis ablehnend gegenübersteht. Ihre Mitglieder lehnen zum Beispiel nach wie vor das Gesetz für aktive Sterbehilfe ab – ein Gesetz, das die Niederlande weltweit als erstes eingeführt hat.
Die Christenunion ist auch gegen liberale Abtreibungsregelungen und gegen die «Ehe für alle». Die Linksliberalen wollen in der kommenden Regierungsperiode aber unbedingt ein neues Gesetz durchbringen, das Hilfe bei Selbsttötung erlaubt. In den Niederlanden ist das verboten.
Die verschiedenen Formen der Sterbehilfe
Die Christenunion lehnt ein solches Gesetz kategorisch ab. «Und deshalb wird es interessant sein, zu beobachten, wie die Linksliberalen und die Christenunion dieses Problem lösen werden», so die SRF-Mitarbeiterin.