SRF News: Die islamistischen Separatisten sind in der philippinischen Region Mindanao kein neues Problem. Warum verhängt Präsident Rodrigo Duterte ausgerechnet jetzt das Kriegsrecht?
Manfred Rist: Es hat am Dienstag einen Anschlag in der Stadt Marawi gegeben. Sie liegt in der Region Mindanao im Süden der Philippinen. Abu Sayyaf hat sich zu dem Anschlag bekannt. Es ist neu, dass die Terrororganisation den Konflikt in urbane Zentren hineinträgt. Zudem hat sie sich offen zum sogenannten Islamischen Staat (IS) bekannt. Das ist eine Herausforderung für Duterte.
Wie kommt die Ankündigung Dutertes bei der Bevölkerung an?
Duterte spielt mit dem Feuer. Auf den Philippinen ist der Begriff «Kriegsrecht» negativ besetzt. Er weckt schlechte Erinnerungen an die Diktatur von Ferdinand Marcos. Aber die Bevölkerung steht mehrheitlich immer noch hinter Duterte. Die Verhängung des Kriegsrechts wird die philippinische Bevölkerung aber zweifellos spalten. Es gibt Anhänger Dutertes, die bedingungslos hinter ihm stehen. Es gibt aber auch immer mehr Kritiker, wie Menschenrechtsorganisationen und die Kirche.
Duterte will Stärke und Handlungswille markieren.
Kriegsrecht weckt böse Erinnerungen
Was bezweckt Duterte mit dem Kriegsrecht?
Er will Stärke und Handlungswille markieren. Nach dem Selbstmordanschlag in Manchester ist der Zeitpunkt dazu ist günstig, denn die Weltbevölkerung ist sensibilisiert. Der IS ist ein Problem. Terroranschläge und Entführungen auf den Philippinen sind ein Problem. Man kann Duterte im Moment also nicht vorwerfen, dass er tatenlos zuschaut.
Dass er das Problem mit dem Kriegsrecht in den Griff bekommen kann, glaube ich persönlich nicht.
Das Kriegsrecht soll ihm erlauben, die Islamisten zu bezwingen. Kann das klappen?
Das Problem im Süden hat noch kein philippinischer Präsident in den Griff bekommen, auch Ferdinand Marcos nicht. Die islamistischen Separatisten treiben dort seit Jahrzehnten ihr Unwesen. Dass er das Problem mit der Verhängung des Kriegsrechts in den Griff bekommen kann, glaube ich persönlich nicht.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.