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Einigung im Streit um Pipeline «Die ersten Reaktionen aus Kiew waren ziemlich verschnupft»

Lange hatten sich die USA gegen Nord Stream 2 gewehrt, nun haben sie ihren Widerstand aufgegeben und sich mit Deutschland auf die Fertigstellung der Gaspipeline geeinigt. Diese soll in Zukunft russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland bringen. Die Ukraine wird umgangen. Entsprechend verliert das Land seine bisherigen Einnahmen aus dem Gastransfer. Für die Ukraine hat das aber nicht nur finanzielle Konsequenzen, sondern auch sicherheitspolitische, wie Christina Nagel, Russland-Korrespondentin der ARD, erklärt.

Christina Nagel

ARD-Korrespondentin

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Christina Nagel ist seit dem 1. Januar 2019 Leiterin des ARD-Studios in Moskau. Sie berichtet über die Staaten der ehemaligen Sowjetunion, vor allem über Russland, Belarus und die Ukraine.

SRF News: Wie reagiert die Regierung in Kiew auf die Einigung?

Christina Nagel: Die ersten Reaktionen waren sehr kritisch und auch ziemlich verschnupft. Aus dem Büro des Präsidenten hiess es, dass die Entscheidung über den Nord Stream 2 nicht einfach auf dem Rücken derer getroffen werden könne und dürfe, die von dem Projekt real bedroht seien, und dass der Kreml dieses Gas dann am Ende doch als politische Waffe einsetzen werde – nicht nur gegen die Ukraine, sondern auch gegen Europa.

Die grosse Befürchtung ist, dass Russland den Druck erhöhen könnte, zum Beispiel in den umkämpften Gebieten der Ostukraine.

Der Chef des ukrainischen Gasunternehmens Naftogaz sagte ganz klar, es gehe hier nicht um die Frage nach irgendwelchen finanziellen Entschädigungen, sondern um die Sicherheit des Landes. Und da könne man nicht einfach zuschauen, wie jemand anders entscheide, wie es weitergehe.

Die Ukraine hat also Sicherheitsbedenken. Weshalb?

Das Problem ist, dass die Ukraine immer noch sehr stark von den Einnahmen aus dem Gastransit abhängt. Fielen diese Gebühren tatsächlich weg, wäre das Land massiv wirtschaftlich geschwächt. Die grosse Befürchtung ist nun, dass Russland gleichzeitig den Druck erhöhen könnte, zum Beispiel in den umkämpften Gebieten der Ostukraine, um letztlich die Ukraine von ihrem Westkurs abzubringen, damit sich das Land wieder Russland annähert.

Die Ukraine profitiert auch von der Einigung. Sie sieht vor, dass die USA und Deutschland dem Land beim Aufbau eines grünen Energiesektors unterstützen. Reicht das nicht?

Den Teil des Abkommens nimmt man sicherlich ganz gerne mit und schaut, dass sich das positiv auf den eigenen Energiesektor und auf die Energiesicherheit auswirkt. Aber die Frage ist: Was geschieht mit den wegbrechenden Staatseinnahmen? Bisher hat man es noch nicht geschafft, sie zu ersetzen. Und das wird man durch den Ausbau von erneuerbaren Energien auch nicht so ohne weiteres hinkriegen. Denn der würde ja lediglich dafür sorgen, dass man vielleicht im Land selbst mehr Energie hätte.

Dass sich am Ende etwas an dieser Einigung ändert, glaube ich nicht. Und auch die Ukrainer wissen, dass da nicht mehr viel zu machen ist.

Aber ob das reicht, um Energie zu exportieren und damit Geld zu verdienen, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Deshalb ist die Sorge gross, dass das ein Kuhhandel ist, der die eigentlichen Probleme der Ukraine am Ende überdeckt.

Der Präsident reist in rund einem Monat nach Washington. Mit welcher Hoffnung?

Ich glaube, dass es darum geht – und das hat die Ukraine auch schon angekündigt –, dieses Thema noch einmal anzusprechen, noch einmal zu versuchen, dem US-Präsidenten klarzumachen, was das im Einzelnen für die Ukraine heisst, und zu versuchen, mehr herauszuholen, vielleicht auch in einem ganz anderen Sektor, zum Beispiel was Waffenlieferungen an die Ukraine angeht, um besser etwas gegen Russland, das man als Aggressor im Osten ansieht, tun zu können. Dass sich am Ende aber etwas an dieser Einigung ändert, glaube ich nicht. Und auch die Ukrainer wissen, dass da nicht mehr viel zu machen ist.

Das Gespräch führte Hans Ineichen.

HeuteMorgen, 22.07.2021, 08:00 Uhr ; 

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