In der Russland-Affäre in den USA hat Sonderermittler Robert Mueller Anklage erhoben gegen drei russische Unternehmen und dreizehn Einzelpersonen, die sich in den Präsidentschafts-Wahlkampf 2016 eingemischt haben sollen. USA-Korrespondentin Isabelle Jacobi schätzt die Lage ein.
SRF News: Die Rede ist von einem systematischen Informationskrieg. Zeigt das die vorliegende Anklageschrift?
Isabelle Jacobi: Die Schrift zeichnet recht genau auf, wie russische Kreise mit Verbindungen zum Kreml systematisch Desinformation und Agitation in den USA betrieben haben. In einer dreijährigen Grossaktion mit hunderten von Mitarbeitern und mit Dutzenden Millionen Franken in der Kampfkasse habe diese so genannte «Operation Translation» 2014 angefangen und bis nach den Wahlen gedauert. Das Ziel der Russen sei es gewesen, den US-Wahlkampf zu stören und Propaganda zu machen gegen die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Donald Trump hingegen, aber auch der Demokrat Bernie Sanders, seien begünstigt worden.
Russische Trolls und Bots mischten sich in ganz bestimmte Foren ein.
Wie lief diese Operation und mutmassliche Einmischung?
Da ist natürlich die Propaganda in den sozialen Medien zu nennen. Russische Trolls und Bots mischten sich in ganz bestimmte Foren ein, wie zum Beispiel bei «Black Lives Matter». Man wollte offenbar schwarze Wähler überzeugen, lieber die Wahlen zu boykottieren, als Clinton zu wählen. Und es gab laut Anklage auch ganz handfeste Aktionen auf US-Boden. So gaben sich die Russen als US-Aktivisten aus und zettelten zum Beispiel in New York und Florida Kundgebungen für Trump und gegen Clinton an. Oder Russen nahmen an muslimischen Protesten teil und gaben vor, Clinton wählen zu wollen, weil sie für die Scharia sei. Das sollte wohl wiederum Clinton-Wähler abschrecken. Kaum war Trump gewählt, wurde er zur Zielscheibe und es gab Protestaktionen gegen ihn. Der gemeinsame Nenner dieser sehr vielfältigen Aktionen sei die Destabilisierung des Landes, so die Anklage.
Die Demokraten der USA jubeln nach der Publikation der Anklageschrift. Endlich sei bewiesen, dass es eine russische Einflussnahme gab. Stimmt das so?
Zuerst die Einschränkung: Es ist eine Anklageschrift und kein Urteil. Es gilt also die Unschuldsvermutung. Aber die Anklageschrift ist erstaunlich detailliert. Die Beweisführung wirkt jedenfalls wasserdicht. Namen, Ortschaften, Vernetzungen und Geldflüsse sind angegeben. Zudem gibt es ein Geständnis eines Kaliforniers, der den russischen Agitatoren seine Identität zur Verfügung stellte. Und eine der angeklagten Spioninnen erzählt auf dem Netz ganz frisch von der Leber, wie sie in den USA Zwietracht säte. Also bewiesen ist noch nichts, die Beweisstücke werden nun der Jury vorgelegt. Aber die Anklage wirkt sehr seriös.
Trump und sein Team sind wahrscheinlich noch nicht aus dem Schneider. Man muss genau hinhören.
Präsident Trump hat – wie zu erwarten – via Twitter reagiert. Er schreibt, die russische Einflussnahme laufe bereits seit 2014, also lange bevor er sich entschieden habe, für den Präsidentenstuhl zu kandidieren. Er und sein Team seien damit aus dem Schneider. Sind sie das tatsächlich?
Nein, das sind sie wahrscheinlich nicht. Man muss genau hinhören. Rod Rosenstein, die Nummer Zwei im Justizdepartement, stellte die Anklageschrift vor und sagte: In dieser Anklageschrift gebe es keine Hinweise, dass US-Bürger wissentlich konspiriert haben. Es könnten durchaus weitere Anklagen folgen. Diese Sonderermittlung hat ja ein Doppelmandat. Einerseits soll die russische Einmischung in den US-Wahlkampf 2016 und andererseits die Verbindungen zwischen der Trump-Kampagne und den Russen untersucht werden. Dieser Teil der Ermittlungen ist noch nicht abgeschlossen.
US-Präsident Donald Trump reagierte auf Twitter zum Vorwurf russischer Wahleinmischung. «Wenn es das ZIEL Russlands war, in den USA Zwietracht, Spaltung und Chaos zu schaffen, dann hat ihr Erfolg mit all den Ausschussanhörungen, Ermittlungen und dem Parteihass ihre kühnsten Träume übertroffen. In Moskau lachen sie sich kaputt. Werde klug, Amerika!»
Die vorliegende Anklageschrift umfasst 37 Seiten und belastet drei russische Firmen sowie 13 Einzelpersonen. Einiges bleibt unklar: Vor allem auch die Frage, ob sich die russische Einflussnahme auf das Wahlresultat ausgewirkt hat.
Auch hier hiess es, dass es in dieser Anklageschrift keine Hinweise auf die Einflussnahme der russischen Propaganda gibt. Die Anklage entpolitisiert also. Aber damit ist die Wirkungsfrage nicht geklärt.
Sonderermittler Mueller hat angekündigt, es könne zu weiteren Anklagen kommen. Was ist in dieser ganzen Russland-Affäre noch zu erwarten?
Das werden wir sehen: Mueller geht enorm gezielt und diskret vor. Aus seinem Team gibt es keine Leaks und es wurden ja bereits Personen aus dem Umfeld der Trump-Kampagne wegen Konspiration mit den Russen angeklagt. Ob noch mehr Klagen folgen wird man sehen. Diese Anklageschrift entkräftet jedenfalls die Argumente der Gegner der Sonderermittlungen, dass die russische Unterwanderung des US-Wahlkampfs eine Erfindung der Demokraten sei oder nicht so ein grosses Ausmass hatte. So etwas weiterhin zu behaupten ist sehr schwierig.
Das Gespräch führte Samuel Wyss .