Kinder von illegal in die USA eingereisten Ausländern nennt man Dreamer – auf Deutsch: Träumer. Diese Woche geht es um die Zukunft dieser rund 800'000 Menschen. Präsident Donald Trump hat ihnen das vorläufige Aufenthaltsrecht per Dekret entzogen.
Ab Anfang März sind die Dreamer ungeschützt. Gleichzeitig forderte Trump den Kongress auf, rechtzeitig eine dauerhafte Lösung für sie zu finden. USA-Korrespondentin Isabelle Jacobi erklärt die Hintergründe.
Die Hardliner lachen sich ins Fäustchen.
SRF News: Statt zu einer dauerhaften Lösung für die Dreamer ist es im Kongress zu einem Eklat gekommen. Weshalb?
Isabelle Jacobi: Es kam überraschend dazu. Letzte Woche noch herrschte Zuversicht: Es gab einen überparteilichen Kompromissvorschlag, Präsident Trump sendete positive Signale. Und dann, an einer Sitzung – man spricht hier in Washington von der «Shithole-Sitzung» – geschah der Eklat. Trump torpedierte den Vorschlag und sprach vulgär über Auswanderungsländer. Ein Demokrat leakte den Vorfall den Medien. Seither stehen die Kompromissler im Regen und die Hardliner lachen sich ins Fäustchen.
Wo verlaufen die politischen Konfliktlinien?
Die Demokraten wollen eine isolierte Lösung für die Dreamer. Sie wollen de facto eine Amnestie, die das Deportations-Moratorium, das Ex-Präsident Barack Obama verordnet hat, dauerhaft machen würde. Die Republikaner wollen die Dreamer auch schützen, aber sie verlangen im Gegenzug verschärfte Grenzschutzmassnahmen. Trump beharrt auf seiner Mauer zu Mexiko. Er will offensichtlich seiner Basis zeigen, dass er in dieser Sache knallhart verhandelt.
Die Demokraten sagen, wenn die Dreamer nicht bleiben können, verweigerten sie eine Finanzierung des Budgets. Was hätte das für Folgen?
Das würde zu einem sogenannten Government-Shutdown führen. Die Regierungstätigkeiten wären nicht mehr finanziert und müssten teils eingestellt werden. Ein Teil der Beamten würden ohne Lohn freigestellt. Letztmals geschah das 2012. Für das laufende Jahr gibt es bisher noch kein bewilligtes Budget. Die Regierung wird derzeit vom Kongress per Massnahme finanziert. Am Freitag läuft die letzte temporäre Geldspritze aus: Deshalb der Poker und der Zeitdruck.
Geht es also darum, welche Seite zuerst nachgibt?
Wahrscheinlicher ist, dass man einfach wieder Zeit schindet und weitere Ausgaben bewilligt, damit man bei der Immigration einen neuen Anlauf nehmen kann. Eine Vorlage dazu soll morgen im Repräsentantenhaus zur Abstimmung kommen. Die Demokraten signalisieren, dass sie Hand bieten werden. Viele von ihnen halten einen Shutdown im Moment für politisch zu riskant, weil dieses Jahr Wahlen anstehen.
Trump ist – wie es sich immer wieder zeigt – ein skrupelloser Taktiker.
Die Demokraten werden also einlenken. Geht Trump als Sieger aus der Debatte hervor?
Jedenfalls nicht als Verlierer. Er hat sich einen weiteren Verhandlungsspielraum verschafft, indem er den Torpfosten mitten im Deal nochmals verschob. Er ist – wie es sich immer wieder zeigt – ein skrupelloser Taktiker. Sein Ziel ist, möglichst viel Geld für eine Grenzbefestigung zu erhalten. Dafür ist er sogar bereit, das Schicksal der Dreamer als Spieleinsatz zu missbrauchen – obwohl diese ihm durchaus am Herzen lägen, wie er oft betont.
Wie gehen die Dreamer mit der Situation um?
Ihre Zukunft in den USA hängt in der Schwebe, auch ihr Leben, ihre Familien, ihre Karrieren. Momentan beantragen Zehntausende eine Erneuerung ihres Bleiberechts um zwei Jahre. Ein Gericht in Kalifornien hat letzte Woche das Trump-Dekret gestoppt, weshalb Daca-Erneuerungen noch eine zeitlang möglich sind. Aber wohl nicht lange, denn die Trump-Regierung hat gute Chancen, vor Gericht zu gewinnen. Für die jungen Immigranten ist es ein Wettlauf mit der Zeit. Es ist ein panisches Rennen.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.