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Unglück in Lissabon Journalist: «Der Stadtpräsident trägt politische Verantwortung»

Nach dem schweren Unglück mit der Standseilbahn in Lissabon liegt ein erster Bericht der zuständigen Untersuchungskommission vor. Der freie Journalist Tilo Wagner in Lissabon berichtet für verschiedene deutschsprachige Medien aus Portugal und hat den Bericht gelesen. Er sagt auch, was das Unglück für politische Auswirkungen bei den anstehenden Lokalwahlen hat.

Tilo Wagner

Journalist

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Der freie Korrespondent lebt seit Jahren in Portugal.

SRF News: Offenbar haben schon früher Mitarbeiter der Betreiberin des öffentlichen Verkehrs in Lissabon Bedenken zur Sicherheit geäussert? Worum ging es da?

Tilo Wagner: Diese Kritik hat sich gegen ein externes Unternehmen gerichtet, das seit Jahren die Wartung der Standseilbahn vornimmt. Angeblich soll die Wartung nicht mit der nötigen Kenntnis durchgeführt worden sein. Das ist eine Kritik aus einem öffentlichen Verkehrsbetrieb, der das jahrzehntelang durchgeführt hat.

Erst der Untersuchungsbericht wird darlegen, ob das Unglück eventuell durch mangelhafte Wartungsarbeiten ausgelöst worden ist oder nicht.

Aber diese Kritik kommt eben auch aus Gewerkschaftskreisen, die sich häufig gegen eine Auslagerung von Dienstleistungen stellen. Deshalb müssen diese Bedenken mit Vorsicht aufgenommen werden. Erst der Untersuchungsbericht wird darlegen, ob das Unglück eventuell durch mangelhafte Wartungsarbeiten ausgelöst worden ist oder nicht.

Weshalb wurde die Wartung der Standseilbahn an ein externes Unternehmen ausgelagert?

Diese Auslagerung an eine private Firma ist schon vor 20 Jahren erfolgt. Damals waren die Verkehrsbetriebe in Lissabon noch direkt dem Zentralstaat unterstellt und nicht der Stadt. Portugal hatte zu dieser Zeit schwere finanzielle Probleme. Deshalb liegt die Vermutung auf der Hand, dass die Auslagerung der Wartungsarbeiten aus Kostengründen geschehen ist. Damals war der Tourismussektor wesentlich kleiner und die Investitionen in öffentliche Verkehrsmittel sehr viel geringer. 

Das Unglück des «Elevador da Glória»

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Das Unglück mit der Standseilbahn in Lissabon ist durch einen Schaden an der Verbindung des Zugseils mit dem Unfallwagen verursacht worden. Das geht aus dem ersten Bericht des Amtes für die Verhütung und Untersuchung von Flug- und Eisenbahnunfällen (GPIAAF) Portugals hervor.

Trotz eines Bremsversuchs raste der Wagen bergab und krachte gegen ein Gebäude. 16 Menschen kamen ums Leben, 21 wurden zum Teil schwer verletzt.

Gibt es auch Kritik am Stadtpräsidenten Lissabons, Carlos Moedas?

Carlos Moedas ist seit 2021 im Amt. Er ist für die Auslagerung der Wartungsarbeiten sicherlich nicht direkt verantwortlich. Und das wird ihm auch nicht vorgeworfen. Allerdings trägt er als Stadtpräsident die politische Verantwortung für die städtischen Verkehrsbetriebe. Und hier setzt die Kritik an.

Ein ehemaliger Vorsitzender der Sozialistischen Partei hat bereits den Rücktritt Moedas gefordert.

Moedas hat selbst im Wahlkampf vor vier Jahren, während eines anderen politischen Skandals, den Rücktritt des damaligen Stadtpräsidenten gefordert, mit dem Verweis, dass Politiker auch für Vorfälle Verantwortung übernehmen müssen, die nicht direkt mit ihren Handlungen in Zusammenhang stehen. Das ist jetzt genau der Fall. Deshalb hat ein ehemaliger Vorsitzender der Sozialistischen Partei bereits den Rücktritt Moedas gefordert. 

Blick auf die steile Strasse mit den Geleisen der Standseilbahn.
Legende: Die Calçada da Glória im Zentrum Lissabons, wo am Mittwoch ein Wagen der Standseilbahn ungebremst die steile Strasse hinab in ein Gebäude raste. REUTERS / Pedro Nunes

Am 12. Oktober finden in Portugal lokale Wahlen statt. In Lissabon möchte Moedas wiedergewählt werden. Wirkt sich das Unglück nun auf den Wahlkampf aus?

Bislang ist eine gewisse Zurückhaltung bei den direkten politischen Widersachern Moedas zu spüren – sicherlich auch aus Respekt vor den vielen Todesopfern und Verletzten. Die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts ist erst kurz nach den Wahlen geplant. Unter normalen Umständen ist das eventuell ein Vorteil für Moedas, aber es lässt natürlich auch viel Spielraum für Spekulationen. Und wir alle wissen, was das nach sich ziehen kann, in Zeiten, in denen die sozialen Netzwerke einen wichtigen Teil des Wahlkampfs bestimmen.

Echo der Zeit, 7.9.2025, 18:00 Uhr ; 

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