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«China ist nicht auf die Überalterung vorbereitet»
Aus SRF 4 News aktuell vom 28.08.2018.
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Ende der Zweikindpolitik? China will restriktive Familienpolitik lockern

Nach der Einkindpolitik könnte auch die Zweikindpolitik bald Geschichte sein. Der Grund dafür ist, dass das Land schlicht überaltert ist.

Darum geht es: China erwägt die Aufhebung der Zweikindpolitik. Der Entwurf für ein neues Zivilgesetzbuch, der diese Woche dem Ständigen Ausschuss des Volkskongresses vorgelegt wurde, enthalte keine Regelungen mehr zur Familienplanung, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Damit werde der «sich ändernden demografischen Situation» Rechnung getragen.

Das Problem: Heute wird in China zu wenig Nachwuchs geboren. Das liegt einerseits an der Einkindpolitik, die jahrzehntelang galt, aber andererseits hat sich auch das Leben der Menschen verändert: Paare heiraten später und Frauen befinden sich länger in Ausbildung. Zudem ist es in China teuer geworden, Kinder zu haben. Nachhilfe- oder Musikunterricht belasten die Familienbudgets. Deshalb entscheiden sich immer mehr Chinesen, keine, weniger oder später Kinder zu haben als früher. Dies alles sorgt für eine Überalterung Chinas, wobei sie noch nicht so extrem ist wie in Japan.

Die Vorgeschichte: China hat bereits vor zweieinhalb Jahren das Ende der fast 40 Jahre lang geltenden Einkindpolitik verkündet. Diese wurde oft sehr brutal umgesetzt – mit Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen. Seitdem dürfen Eltern zwar zwei Kinder bekommen. Doch die Geburtenzahlen der letzten zwei Jahre entsprachen nicht den Erwartungen der Behörden.

Die Einschätzung: «Damit hat man eigentlich gerechnet», sagt China-Korrespondent Martin Aldrovandi. «Seit die Einkindpolitik abgeschafft und zur Zweikindpolitik wurde, war es im Grunde nur noch eine Frage der Zeit.» Denn die Ausgangslage habe sich völlig verändert: «Heute hat man in China nicht mehr Angst, dass es zu viel, sondern zu wenig Nachwuchs gibt.»

Das Problem für China ist, dass seine Wirtschaft im Vergleich zu den Industrieländern nach wie vor auf ein hohes Wachstum angewiesen ist.
Autor: Martin Aldrovandi SRF-Korrespondent in Schanghai

Man könne die schlimmsten Auswirkungen mit der Lockerung vielleicht abschwächen. «Aber den Trend an sich wird man nicht mehr umkehren können.» Man könne ihn lediglich verlangsamen, glaubt Aldrovandi.

«Das Problem für China ist, dass seine Wirtschaft im Vergleich zu den Industrieländern nach wie vor auf ein hohes Wachstum angewiesen ist und noch nicht auf eine überalterte Gesellschaft vorbereitet ist.» Das heisst: Es fehlen entsprechende Infrastrukturen und Sozialversicherungen.

Die Alternativen: Verschiedene Vorschläge stehen derzeit zur Diskussion. Ein Beispiel sind finanzielle Anreize für Paare, die Kinder wollen. Vor einiger Zeit haben Akademiker die Idee einer Steuer für Paare ohne Kinder eingebracht, quasi eine Strafsteuer. Das sorgte für viel Empörung im Netz. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas eingeführt wird», so Aldrovandi.

Selbst wenn ganz Vietnam nach China einwandern würde, würde dies nicht viel an der Situation ändern.
Autor: Expertenaussage

Die Einwanderung, auf die viele andere Staaten setzen, wäre ebenfalls ein Mittel gegen die Überalterung der Gesellschaft. Aber das wäre schwierig für China, denn das Land ist mit fast 1,4 Milliarden Menschen schlicht zu gross. Ein Experte habe ihm einmal gesagt: «Selbst wenn ganz Vietnam nach China einwandern würde, würde dies nicht viel an der Situation ändern.»

Martin Aldrovandi

Martin Aldrovandi

Auslandredaktor

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Martin Aldrovandi war von 2016 bis Sommer 2022 Korrespondent für Radio SRF in Nordostasien mit Sitz in Schanghai. Zuvor hatte er mehrere Jahre lang als freier Journalist aus dem chinesischsprachigen Raum berichtet. Nun ist er als Auslandredaktor für Radio SRF in Bern tätig.

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