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Deutschland: AKW sollen als Reserve am Netz bleiben
Aus Echo der Zeit vom 05.09.2022. Bild: KEYSTONE/DPA/Kay Nietfeld
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Energiekrise in Europa Deutschland will zwei AKW in Reserve halten

  • Das Bundeswirtschaftsministerium will zwei Atomkraftwerke als Reserve über das Jahresende hinaus am Netz behalten.
  • Isar 2 und Neckarwestheim 2 im Süden Deutschlands sollen bis Mitte April eine Einsatzreserve für die Versorgungssicherheit bilden.
  • Das ist das Ergebnis eines sogenannten Stresstests.
  • Zuvor hatte nicht nur die Union, sondern auch die an der Regierung beteiligte FDP für einen Weiterbetrieb der Meiler geworben.
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Robert Habeck: «Die AKW werden in eine Reserve überführt»
Aus Tagesschau vom 05.09.2022.
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Von den drei verbliebenen Atomkraftwerken in Deutschland sollen zwei bis Mitte April als Notreserve dienen. Ein in Auftrag gegebener Stresstest für das Stromsystem in Deutschland habe für den kommenden Winter zwar ergeben, dass eine akute Krise sehr unwahrscheinlich sei, sagte der Grünen-Politiker und Wirtschaftsminister Robert Habeck in Berlin: «Die beiden AKW Isar 2 und Neckarwestheim sollen bis Mitte April 2023 noch zur Verfügung stehen, um – falls nötig – über den Winter einen zusätzlichen Stromnetzbeitrag in Süddeutschland leisten zu können.»

Bedenken bezüglich der Netzstabilität

Der zweite Netzstresstest komme zu dem Ergebnis, «dass stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem im Winter 2022/2023 zwar sehr unwahrscheinlich sind, aktuell aber nicht vollständig ausgeschlossen werden können.»

Gemäss Habecks Darstellung bedeutet dies, dass die beiden AKW und das dritte verbliebene in Niedersachsen wie geplant Ende Jahr regulär vom Netz gehen. Am Atomausstieg, wie er im Atomgesetz geregelt sei, werde somit festgehalten. Neue Brennelemente würden in die Reaktoren nicht geladen und Mitte April sei auch für die Reservekraftwerke Schluss.

Das AKW Isar 2  hinter einem Stacheldrahtzaun.
Legende: Isar 2 in Bayern ist eines der zwei Atomkraftwerke in Deutschland, das länger in Betrieb bleiben soll. Keystone / PETER KNEFFEL

«Die Atomkraft ist und bleibt eine Hochrisikotechnologie und die hoch radioaktiven Abfälle belasten zig nachfolgende Generationen.» Damit sei nicht zu spielen. «Eine pauschale Laufzeitverlängerung wäre daher auch im Hinblick auf den Sicherheitszustand der AKW nicht vertretbar.»

Im vor rund zehn Jahren beschlossenen Atomausstieg wurde eigentlich vereinbart, dass Isar 2 in Bayern, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg sowie Emsland in Niedersachsen als letzte Atomkraftwerke am 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden sollen. Mit der Entwicklung des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise waren jedoch Forderungen nach einer Laufzeitverlängerung immer lauter geworden.

Drei Fragen an SRF-Korrespondentin Simone Fatzer

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Porträt Simone Fatzer
Legende: Simone Fatzer arbeitet seit 1998 für SRF, unter anderem als Moderatorin des «Echo der Zeit». Seit September 2021 ist sie Korrespondentin in Berlin.

SRF News: Wie ist das Ergebnis des Stresstests zu werten?

Simone Fatzer: Es ist ja bereits der zweite Stresstest. Der erste vom Frühling kam noch zum Schluss, die Stromversorgungssicherheit sei gewährleistet. Jetzt hat man den «Stress» nochmals erhöht – mit noch weniger Gas und noch höheren Strompreisen, man hat das ganze europäische Umfeld einbezogen, den Ausfall von französischen AKW, Trockenheit, Wassermangel in den Nachbarstaaten und eine noch schlechtere Versorgung in Süddeutschland, konkret in Bayern. Dieser strengere Test zeigt nun: Es ist doch sinnvoll, für allfällige Notlagen im Winter noch Strom aus AKW bereitzuhalten.

Beschliesst Berlin also den Ausstieg aus dem Atomausstieg?

Nein, der Ausstieg vom Atomausstieg bleibt gesetzlich verankert. Es ist eine kleine Verschiebung nach hinten. Zwei der noch laufenden drei AKW sollen in den sogenannten Streckbetrieb gehen. Das bedeutet, sie werden noch am Netz gelassen, die Rede ist von bis Mitte April. Und das nur im Notfall. Sie sollen einen zusätzlichen Beitrag leisten, wenn es zu einer Stresssituation im Süden des Landes kommen soll. Es ist eine Art «Lex Bayern». Denn Bayern ist sehr stark vom russischen Gas abhängig, und es wurde dort auch wenig auf erneuerbare Energie gesetzt. Es wird aber keine neuen Brennelemente geben.

Wird der Entscheid auch zum Stresstest für die Regierung?

Natürlich liegen die Vorstellungen von Atomkraft weit auseinander. SPD-Kanzler Olaf Scholz schloss eine Laufzeitverlängerung nicht mehr aus. Die FDP würde sogar eine Verlängerung bis 2024 begrüssen, genauso wie auch die Opposition aus CDU und CSU. Und die Grünen, einst entstanden aus der Anti-Atom-Bewegung, müssen schon über einen sehr grossen Schatten springen. Es wurde aber auch immer gesagt, man werde ideologiefrei und ergebnisoffen schauen, was dieser Stresstest ergebe. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte einen sogenannten Streckbetrieb zuletzt auch nicht mehr ausgeschlossen. Es geht auch nur um dreieinhalb Monate.

Und die Grünen haben ja auch schon bewiesen, dass sie in dramatischen Zeiten auch pragmatisch sein können: Sie liefern Waffen in die Ukraine, sie verhandeln mit Katar über Rohstoffe, sie bauen Infrastruktur für Flüssiggasterminals. Die Basis hat das erstaunlich ruhig hingenommen. Habeck bleibt beliebt. Jetzt kommt noch das mutmasslich letzte «Augen zu und durch». Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Koalition jetzt an dieser Frage scheitert. Keiner hätte Interesse daran. Aber dass die Grünen da mindestens etwas leer schlucken, das ist doch wahrscheinlich.

SRF 4 News, 05.09.2022, 19:00 Uhr;

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