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Entscheid des Bundesgerichts EDA muss Gesuch eines mutmasslichen Schweizer IS-Kämpfers prüfen

Vor neun Jahren reiste der IS-Anhänger nach Syrien. Er will zurückkommen, doch das EDA weigerte sich. Nun muss das Aussendepartement noch einmal über die Bücher.

Seit fünfeinhalb Jahren sitzt der 30-jährige A. in einem kurdischen Gefängnis im Autonomiegebiet im Nordosten Syriens. Er ist Schweizer und vor neun Jahren nach Syrien gereist, in den Bürgerkrieg zwischen verschiedenen religiösen und politischen Gruppen, Regierungstruppen und ausländischen Armeen.

Zu seinen Motiven gibt es Hinweise, aber keine Beweise. Möglich ist, dass sich A. der Terrorgruppe des sogenannten Islamischen Staates anschloss. Daraufhin wurde er von kurdischen Kämpfern der Syrian Democratic Forces (SDF) gefangengenommen. Sie werden von den USA und anderen europäischen Staaten im Kampf gegen den Islamischen Staat militärisch unterstützt. Ob er sich gegenwärtig noch in kurdischer Gefangenschaft befindet, ist nicht restlos geklärt – nach dem Sturz Assads ist die Situation in Syrien unklar.

Ein Kämpfer wacht über eine Gruppe von Männern, die draussen auf dem Boden sitzen.
Legende: Im Bild: Dutzende IS-Kämpfer versuchten 2022 in der Stadt Hasaka im Nordosten Syriens aus einem Gefängnis auszubrechen. Der SDF gelang es, die geflohenen mutmasslichen IS-Kämpfer wieder gefangenzunehmen. (28.01.2022) EPA/AHMED MARDNLI

A. will zurück in die Schweiz. Er braucht dafür Hilfe, die er 2022 beim Aussendepartement beantragte. A. begründete sein Gesuch damit, dass er wegen der widrigen Haftbedingungen in den kurdischen Gefängnissen an Leib und Leben gefährdet sei. Doch das EDA verweigerte die Unterstützung. Die Schweiz biete keine aktive Rückführungshilfe an für terroristisch motivierte Reisende.

EDA muss Gesuch prüfen

Jetzt muss das Aussendepartement nochmals über die Bücher. Das EDA müsse das Gesuch um Hilfe im Rahmen des konsularischen Schutzes ernsthaft prüfen. Der Betroffene hat wegen der Haftbedingungen ein schutzwürdiges Interesse, urteilt das Bundesgericht. Sehr zur Genugtuung des Anwaltes von A. Der Anwalt schreibt auf Anfrage. «Es ist nun zu hoffen, dass im zu fällenden Entscheid durch das EDA alles angeordnet wird, damit mein Klient in die Schweiz zurückkehren kann.» Für den Anwalt ist der terroristische Hintergrund von A. nicht geklärt. Er sei nie verurteilt worden.

Das Urteil heute bedeutet nicht, dass das EDA die Rückkehrhilfe definitiv gewähren muss. Auf Anfrage schreibt das EDA, das Urteil werde derzeit von den zuständigen Stellen analysiert. Ausserdem weist es darauf hin, dass folgender Grundsatz weiterhin gelte: «Die Schweiz verweigert die Einreise nicht, führt aber keine aktive Rückführung von erwachsenen, terroristisch motivierten Reisenden durch.»

10'000 ausländische IS-Kämpfer gefangen

Auch wenn das Bundesgericht dem Syrienreisenden recht gegeben hat, geht es nicht um Sympathien zu einem mutmasslichen Terroristen, sondern um grundlegende Verfahrensrechte in einem Rechtsstaat. Sollte sich die Schweiz entscheiden, A. aktiv zurückzuholen, würde dies auch die kurdischen Behörden entlasten. Sie müssen nämlich mehrere 10'000 ausländische IS-Kämpfer und deren Angehörige in ihren Lagern versorgen. Noch so gerne würden sie diese an ihre Heimatländer übergeben.

Eine Rückkehr in die Schweiz böte auch die Möglichkeit, hier den 30-jährigen Schweizer wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation anzuklagen. Nun muss das Aussendepartement die Rückkehr konkret und ernsthaft prüfen.

Echo der Zeit, 27.12.2024, 18:00 Uhr

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