Darum geht es: Vor rund einem Monat ist die Gewalt in der mehrheitlich von Drusen bewohnten syrischen Provinz Suweida eskaliert. Gewalt zwischen Beduinen, Regierungstruppen und drusischen Milizen forderten Hunderte Tote und Verletzte. Vor allem drusische Zivilisten wurden Opfer von Massakern. Israel intervenierte militärisch auf Seite der Drusen. In Suweida demonstrierten am letzten Wochenende Hunderte gegen die syrische Übergangsregierung und forderten Selbstverwaltung. Einige schwenkten israelische Flaggen.
Die aktuelle Lage: Im Umland von Suweida gibt es immer noch Kämpfe zwischen Drusen und Beduinen-Gruppen. Das behindert immer wieder die Hilfslieferungen in die Provinzhauptstadt. Die Versorgung mit Trinkwasser und Lebensmitteln funktioniere aber wieder besser, berichtet die freie Journalistin Meret Michel, die kürzlich Syrien bereiste.
Die Haltung der Drusen: Das Vertrauen der Drusen in die Übergangsregierung von Ahmad al-Scharaa sei mit den Massakern zerstört worden, sagt Michel. Die Gemeinschaft stehe unter Schock. Die syrische Mehrheitsgesellschaft sehe das Problem dagegen bei den separatistischen Ambitionen von Drusenchef Hikmat al-Hadschri. Dass viele Drusen Israel offenbar für das Eingreifen dankbar sind, löst laut Michel bei vielen Syrern Wut aus. Sie sehen den Drusenchef als Spielverderber beim Versuch der Regierung, das Land nach 14 Jahren Krieg und den Verbrechen des Assad-Regimes vorab an der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung wieder aufzubauen.
Das Grundproblem: Die Regierung hat es bisher nicht geschafft, einen nationalen Prozess zur Aufarbeitung aller Verbrechen vor und nach dem Sturz Assads anzustossen, wie Michel erklärt. So konnte sie das Massaker an Alewiten an der Küste vom März ebenso wenig verhindern wie die Eskalation in Suweida. Die Übergangsregierung versuche vom eigenen Scheitern mit politischen Erfolgen abzulenken. Im Frühling war es ein Deal mit den kurdischen Demokratischen Kräften Syriens (SDF), der wenige Tage nach dem Gewaltausbruch an der Küste verkündet wurde. Vor einigen Wochen war es die Ankündigung, dass Firmen aus dem Golf Milliarden in Infrastrukturprojekte in Damaskus investieren würden.
Die Rolle Israels: Die militärischen Interventionen Israels wirken laut Michel wie ein Brandbeschleuniger. Dass in Suweida Israel-Flaggen gehisst wurden, dürfte die Wut in anderen Teilen des Landes anheizen und den Drusen am Ende mehr schaden als nützen. Denn Suweida bleibe trotz allen Rufen für eine Abspaltung ein Teil Syriens und nur politische Zusammenarbeit sei eine Lösung, so Michel.
Die Rolle der Türkei: Die Türkei ist ein alter Partner der Partei HTS von Ahmad al-Scharaa. Die HTS herrschte in Idlib mit starker Unterstützung aus Ankara bereits vor der Machtübernahme in Damaskus. Ihr Einfluss kompliziert die Verhandlungen mit der kurdisch dominierten SDF im Nordosten Syriens, weil die Kurden der Türkei zutiefst misstrauen. In Bezug auf die Lage im Nordosten sollte Suweida laut Michel eine Warnung sein. Denn dort herrscht die SDF über ein Drittel des Landes und ist bis heute nicht bereit, sich unter die Regierung in Damaskus zu stellen. Gleichzeitig lehnt die Mehrheit der sunnitischen Araber in diesem Gebiet die Herrschaft der SDF kategorisch ab. Es könnte zu einer ähnlichen Dynamik wie in Suweida kommen, doch die Gewalt dürfte dann um ein Vielfaches grösser ausfallen, schätzt Michel.