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Schweizer Hilfsorganisation fördert Kartoffelanbau in den Anden
Aus Echo der Zeit vom 30.10.2023. Bild: SRF/ Teresa Delgado
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Entwicklungshilfe in Bolivien Die Schweiz mischt mit bei Gourmetchips aus Bolivien – noch

Bolivien ist eines der ärmsten Länder Südamerikas und angewiesen auf finanzielle Hilfe aus dem Ausland, auch aus der Schweiz. Die Schweizer Hilfsorganisation Helvetas fördert den Anbau von traditionellen Kartoffelsorten in den Anden. Doch dieses Geld dürfte schon bald versiegen.

Mit einem wackeligen Kleinbus geht es über ein kurvenreiche, staubige Strasse nach San Isidro: Ein kleines indigenes Dorf in der Gemeinde Morochata in Zentralbolivien, gelegen auf fast 4000 Meter Höhe, in der Anden-Gebirgskette. Trotz der grossen Höhe wachsen in San Isidro traditionelle bolivianische Kartoffelsorten – sogenannte «papas nativas».

Die Nähe zum Äquator macht das Klima in Bolivien auch auf 4000 Meter mild und den Boden fruchtbar. Der Kartoffelanbau ist denn auch die Haupteinkommensquelle der rund 600 Dorfbewohnerinnen und -bewohner.

Weisser Kleinbus auf brauner, staubiger Strasse, dahinter braune Berge.
Legende: Auf dem Weg zum Kartoffelacker: Bei den Inkas wurden die Kartoffeln «Papas» genannt, «Knollen». Die ersten Knollen wurden in den Bergen der Anden entdeckt – schon etwa 7000 Jahre v. Chr. SRF / Teresa Delgado

Unterstützt wird die Dorfgemeinschaft dabei von einer Schweizer Hilfsorganisation. Susana Mejillones von Helvetas kennt das Potenzial bolivianischer Kartoffeln: «In Bolivien gibt es über 1500 verschiedene Kartoffelsorten. Bolivien ist das Land mit dem grössten Kartoffelkonsum weltweit – 126 Kilos werden hier pro Kopf pro Jahr gegessen.» Am besten würden die Kartoffeln in subtropischen Zonen wachsen, in 3500 bis 4000 Metern Höhe.

Die bekannteste Kartoffelsorte sei pinta boca, die «Mund-Bemaler-Kartoffel». «Sie heisst so, weil einem die Schale dieser Kartoffel beim Essen die Lippen violett färbt. Auch Candelero ist beliebt, eine rote Kartoffel.»

Vom «Arme-Leute-Essen» zur Gourmetkartoffel

Bauer Jorge Buendía zeigt stolz seinen Rasensprenger. Wie die meisten Dorfbewohner spricht er die indigene Sprache Quechua und gebrochenes Spanisch. Ein Schlauch mit einem Filternetz führt nun von einem Bergbach mitten im Dorf zu den hangabwärts gelegenen Kartoffelfeldern. Rasensprenger bewässern die Felder automatisch. Das ist wassersparender als das Giessen von Hand – in Bolivien, wo Wasserknappheit herrscht, ein entscheidender Faktor für nachhaltigen Kartoffelanbau.

Die Dorfgemeinschaft hat sich zu einem Verband zusammengeschlossen. Gemeinsam waschen die Bäuerinnen und Bauern ihre Kartoffeln in einer metallenen Schleudertrommel. Sie sortieren die Kartoffeln nach Grösse und verpacken sie in kleine, bunte Netze – alles von Hand – für den Verkauf im Tal.

Indigene Kartoffelsorten galten in Bolivien bis vor kurzem als Arme-Leute-Essen. Doch mit der Coronapandemie rückten lokale Produkte in den Fokus. Inzwischen sind die papas nativas in Restaurants gefragt und gelten als Gourmetkartoffeln.

Es gibt immer weniger Mittel für Nichtregierungsorganisationen – und auch weniger für Lateinamerika.
Autor: Richard Haep Länderdirektor Helvetas in Bolivien

Die Quechua sprechende Serafena Cordoba schleppt Kisten voller Kartoffeln hin und her. «Die Arbeit mit den Kartoffeln gefällt mir und der Verkauf hilft mir dabei, meine Kinder zu ernähren», sagt die 46-Jährige. Das Geschäft mit den Kartoffeln läuft gut: Vom Indigenen-Dorf San Isidro werden die Kartoffeln an Supermärkte geliefert. Oder sie landen bei Orgánica del Sur, Boliviens grösster Kartoffelfabrik, in Cochabamba. Dort werden die vitamin-, eisen- und zinkreichen bunten Kartoffeln von Maschinen weiter verarbeitet zu Kartoffelchips.

Schweiz beendet bilaterale Entwicklungshilfe in Lateinamerika

Fabrikchef Grover Vargas ist zufrieden: «Im Auftrag der Lokalregierung produzieren wir aus den einheimischen Kartoffeln kleine Portionen proteinreicher Chips, sie werden als Schulfrühstück an Kinder verteilt.» Chips als Schulfrühstück: Das klingt aus Schweizer Sicht zwar seltsam, doch rund 16 Prozent der bolivianischen Kinder unter fünf Jahren leiden an chronischer Mangelernährung und sind auf ein stärkehaltiges Gratis-Frühstück in der Schule angewiesen.

Die indigenen Kartoffeln sind wirtschaftlich im Aufschwung. Der Zeitpunkt ist wichtig, denn die Hilfsgelder aus der Schweiz drohen zu versiegen. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) stellt bis Ende 2024 die bilaterale Entwicklungshilfe in ganz Lateinamerika vollständig ein, um sich stärker auf Afrika und die Ukraine zu fokussieren.

Richard Haep, der Länderdirektor der Helvetas in Bolivien, muss nun andere Geldgeber finden: «Die Folgen sind natürlich weitreichend für uns. Das ist ein schwieriger Prozess, weil es immer weniger Mittel für Nichtregierungsorganisationen gibt – und auch weniger für Lateinamerika.»

Es droht Instabilität und Armut

Bolivien hat 2021 laut Angaben der Weltbank rund eine halbe Milliarde US-Dollar Entwicklungshilfegelder erhalten. Nur etwa rund fünf Prozent davon kamen aus der Schweiz. Der Schweizer Beitrag war also eher klein. Doch gegenüber SRF News loben Fachleute in Bolivien die Hilfe der Schweiz als äusserst effizient, weil es gezielte Hilfsprojekte waren, die die Lokalbevölkerung stark einbanden.

Für Bolivien ist jedes Wegfallen von Hilfsgeldern ein Problem: Das Land ist eines der ärmsten Länder Südamerikas und hoch verschuldet. Eine gröbere Wirtschaftskrise bahnt sich an und damit wieder mehr politische Instabilität und mehr Armut.

Zwei Stühle auf Betonboden draussen, links darauf sitzt kleines Mädchen mit Daumen im Mund.
Legende: Ein Mädchen im Bergdorf Morochata: Rund 16 Prozent der bolivianischen Kinder unter fünf Jahren leiden an chronischer Mangelernährung. SRF / Teresa Delgado

Doch die Chancen, andere wirtschaftliche Beziehungen aufzubauen, sind intakt: Die bunten Kartoffelchips wecken auch das Interesse von Schweizer Firmen. So erwägt etwa der Marktführer für Chips in der Schweiz, in Zusammenarbeit mit Orgánica del Sur, die bunten Gourmetchips aus den bolivianischen Anden demnächst bis in die Schweiz zu importieren.

Echo der Zeit, 30.10.23, 18 Uhr

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