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Nachtszene: Inmitten von Häuserzeilen öffnet sich ein riesiges Loch, in dem Autos liegen.
Legende: Im Stadtteil Balduina rutscht am 16. Februar eine Strasse rund zehn Meter in die Tiefe. Verletzt wird niemand. Keystone

Erdlöcher in Rom Wird die Ewige Stadt vom Erdboden verschluckt?

Seit 2700 Jahren bewohnt und bebaut: Der Untergrund der Stadt ist an vielen Stellen hohl. Nun wird das zu einer Gefahr.

Die Balduina ist ein ruhiges, ein bisschen langweiliges Mittelstandsquartier gleich hinter dem Vatikan. Normalerweise ist dort nicht viel los, doch vor einigen Wochen berichteten von dort sämtliche Fernseh- und Radiostationen live. «Seit Monaten zittert unser Wohnblock, es ist verheerend», sagt eine Frau und fuchtelt mit ihren Händen nervös durch die Luft. Der Grund ihrer Aufregung ist ein grosses, klaffendes Loch in der Strasse, eine Voragine. Weit unten sieht man mehrere Autos, die dieses Loch verschluckt hat.

Der Begriff «Voragine»

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«La voragine» heisst auf Deutsch «Erdloch», «Schlund». Im übertragenen Sinn kann es auch «Fass ohne Boden» heissen.

Urplötzlich habe sich dieses Loch nicht geöffnet, im Gegenteil, ereifert sich eine andere Anwohnerin: «Die Erde hat doch ständig gebebt, wir Anwohner haben das gespürt», sagt sie. Es sei doch vorherzusehen gewesen, dass sich ein Unglück anbahnte.

Eine abgebrochene Strasse und ein überflutetes Loch, in dem kreuz und quer Autos liegen.
Legende: Das Unglück in Balduina hatte sich angekündigt: Anwohner meldeten den Behörden Risse in der Strasse unweit der Baustelle. Reuters

Wenig später inspizierte auch Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi vor laufenden Kameras die Voragine, den klaffenden Erdschlund, der wie durch ein Wunder nur Sachschaden verursacht hatte. Die Schuldigen werden zur Verantwortung gezogen, die Justiz ermittelt bereits, versucht Bürgermeisterin Raggi die Gemüter zu beruhigen.

Jedes Jahr 90 Erdlöcher

Doch der römische Untergrund gibt keine Ruhe. Die Statistik spricht für sich. Jedes Jahr öffnen sich in Rom 90 solche Erdlöcher. Die Tendenz ist steil steigend.

Carlo Ferranti ist Chefbeamter im Tiefbauamt. Er erklärt, der Untergrund der Stadt Rom sei eben äusserst speziell. Hohl sei er, zwar nicht überall, aber an sehr vielen Orten. Ausgehöhlt ist er wegen der legendären Katakomben zum Beispiel, aber auch, weil hier seit 2700 Jahren Leute leben, die stets gegraben haben. Sie holten auch Tuffstein aus dem Untergrund und bauten damit ihre Häuser.

Starkregen wäscht den Untergrund aus

Dass diese Jahrhunderte, ja Jahrtausende alten Hohlräume unter der Stadt gerade jetzt zum Problem werden, hat einen Grund. Es sei wegen des Klimas, sagt Geologe Ferranti. Seit einigen Jahren regne es in Rom zwar weniger, aber wenn es regne, dann sehr heftig. In kürzester Zeit falle sehr viel Wasser. Das Resultat davon seien Überschwemmungen. Diese waschen den Untergrund weiter aus. Dadurch stürzten Hohlräume im Untergrund, die bisher nie eine Gefahr waren, plötzlich ein und verursachten riesige Löcher.

Die heftigen Regenfälle richteten auch darum viele Schäden an, weil Roms Kanalisation, die das Regenwasser ableiten müsste, seit Jahren vernachlässigt werde. Die Mittel für den Unterhalt der Kanalisation reichten nirgends hin. Lecke Leitungen aber waschen den löchrigen Untergrund weiter aus.

Sehr teure Renovation

Eine Milliarde Euro würde es kosten, Roms Untergrund zu sanieren. Neben dem Geldmangel nennt der Chefbeamte des Tiefbauamtes als ein weiteres Problem die unklaren Kompetenzen. Oft sei es unklar, ob die Stadt oder die Region für den Unterhalt verantwortlich seien.

Darum geht Ferranti nicht davon aus, dass Roms Untergrund bald, wie in anderen Metropolen, systematisch und periodisch unterhalten werde. Nur schon der Gedanke daran nötigt dem Beamten ein Lächeln ab: «2700 Jahre hat Rom auf dem Buckel. Wird in Rom gegraben, sind fast immer auch Archäologen dabei.» Das verzögere und verteuere fast jeden Eingriff.

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