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Erfolg für Präsident Saied Neue tunesische Verfassung gemäss Nachwahlbefragung angenommen

  • Bei der Abstimmung über eine neue Verfassung in Tunesien ist die Wahlbeteiligung am Montag mit knapp 28 Prozent gering ausgefallen.
  • Laut einer Nachwahlbefragung des Meinungsforschungsinstituts Sigma Conseil befürworteten 92.3 Prozent der abgegebenen Stimmen die umstrittene neue Verfassung.
  • Amtliche Ergebnisse werden im Verlauf des Tages erwartet.

Mit der neuen Verfassung sollen die Befugnisse des Präsidenten auf Wunsch von Amtsinhaber Kais Saied ausgeweitet werden. Die neue Verfassung sieht vor, dass der Präsident unter anderem die Regierung sowie Richter ernennen und entlassen darf. Zudem soll er die Macht haben, das Parlament auflösen zu können.

Bisher setzte Saied viele solcher Entscheidungen per Dekret durch und umging damit die bisherige Verfassung. Er betrachtet diese eigenen Angaben zufolge als nicht mehr gültig.

Der neue Verfassungsentwurf sieht derweil keine Instanz mehr vor, die den Präsidenten kontrollieren oder ihn gar des Amtes entheben könnte. Vor einem Wahllokal im Norden der Hauptstadt Tunis sagte eine Frau, sie befürchte die Rückkehr zur Diktatur: «Ich werde Nein zu Saieds Verfassung sagen.»

Ein anderer Wähler sagte der deutschen Presseagentur, die neue Verfassung sei der einzige Weg, um die Krise im Land zu beenden. Der Präsident selbst gab seine Stimme vor Kameras in Begleitung seiner Frau ab.

Kurz nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Nachwahlbefragung strömten Hunderte von Saied-Anhängern in der Hauptstadt Tunis auf die zentrale Habib-Bourguiba-Allee, um zu feiern. Mit ersten Ergebnissen wird im Verlauf des Dienstags gerechnet.

Regierungschef vor einem Jahr abgesetzt

Vor exakt einem Jahr – am 25. Juli 2021 – hatte Saied den damaligen Regierungschef abgesetzt und das Parlament gezwungen, seine Arbeit auszusetzen. Später löste er das Parlament schliesslich ganz auf.

Tunesien ist seitdem gespalten zwischen Anhängern und Gegnern dieser Schritte. Seit Monaten kommt es immer wieder zu Protesten für und gegen den Präsidenten. Die Gegner befürchten, dass die neue Verfassung die Basis für eine erneute Diktatur im nordafrikanischen Land sein wird.

Tunesien war nach den arabischen Aufständen ab 2010 als einziges Land der Region der Wandel zur Demokratie gelungen. Die neue Verfassung würde aber viele demokratische Errungenschaften zunichtemachen. Die Opposition rief zum Boykott des Referendums auf. Sie betrachtet den gesamten Prozess als illegitim.

In der Bevölkerung herrscht Unzufriedenheit, weil die Schere zwischen Arm und Reich auseinanderklafft. Der Staat steckt in einer Wirtschaftskrise und wurde schwer von der Corona-Pandemie getroffen.

SRF 4 News, 26.07.2022, 02:00 Uhr ; 

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