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Rex Tillerson und sein katarischer Amtskollege Sheikh Mohammed bin Abdulrahman al-Thani
Legende: Erfolglose Pendeldiplomatie: Tillerson und sein katarischer Amtskollege Sheikh Mohammed bin Abdulrahman al-Thani. Reuters

Erfolglose Pendeldiplomatie Warum die USA in der Golfkrise so hilflos agieren

Tagelang versuchte Aussenminister Tillerson in der Region zu vermitteln – erfolglos. Woran liegt es? Eine Einschätzung von Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent von Radio SRF.

Vier Tage lang war US-Aussenminister Rex Tillerson in den Golfstaaten unterwegs. Nun kehrt er nach Washington zurück – vermutlich ziemlich frustriert. Vier Tage lang pendelte er von Kuwait nach Doha und weiter nach Jeddah, dann wieder nach Kuweit und erneut nach Doha. Ergebnis: gleich null.

Fredy Gsteiger

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Portrait von Fredy Gsteiger

Der diplomatische Korrespondent ist stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St.Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» und Chefredaktor der «Weltwoche».

Die verfeindeten Lager in der nun schon mehr als einen Monat alten Katar-Krise bewegen sich nicht aufeinander zu. Die Vereinigten Staaten schaffen es vorläufig nicht, sie zum Einlenken zu bewegen. Obschon alle beteiligten Länder auf Washington angewiesen sind. Weshalb sind die USA erfolglos? Dafür gibt es mehrere Gründe.

1. Donald Trump: Die Katar-Krise ist gewiss nicht allein dem US-Präsidenten anzulasten. Sie schwelt schon viel länger als Donald Trump im Weissen Haus ist. Doch dass sie gerade jetzt ausbrach, hat durchaus mit Trump und vor allem mit seinem Auftritt im Mai in Saudi-Arabien zu tun. Dort stellte er sich derart bedingungslos hinter das saudische Königshaus, dass dieses kurz danach den Hosenlupf wagte und – gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Ägypten – Boykotte verfügte und Ultimaten stellte gegen den kleinen, aber superreichen Nachbarn Katar.

Trump goss nach Ausbruch der Krise zusätzlich Öl ins Feuer, indem er die Saudis geradezu beglückwünschte zu ihrem Vorgehen und sich zunächst voll und ganz hinter sie stellte – und sich damit gegen Katar positionierte. Ob er sich dabei bewusst war, dass die USA in Katar ihre grösste Luftwaffenbasis im ganzen Nahen Osten unterhalten, ist nicht klar. Vertreter seiner Regierung versuchten anschliessend zurückzurudern und die USA als Vermittler zwischen den verfeindeten Lagern zu positionieren. Doch der Schaden war erstmal angerichtet.

2. Rex Tillerson: Der US-Aussenminister mag seine Verdienste haben als Wirtschaftsführer und Ex-Konzernchef des Ölkonzerns Exxon. Aussenpolitisch verfügt er über keinerlei Erfahrung. Er erscheint nach wie vor als Leichtgewicht in der neuen amerikanischen Regierung. Wenn er sich überhaupt gegenüber den Medien äussert, wirkt er mässig informiert und unbeholfen. Immerhin hat Tillerson früher als sein Chef Trump bemerkt, dass dieser die Weltmacht mit seiner einseitigen Pro-Saudi-Haltung ins Abseits manövrierte. Er versuchte deshalb eine Kurskorrektur, die aber nicht wirklich gelingen konnte, weil nicht ersichtlich ist, ob Trump sie mitträgt. Dazu kommt: Tillerson verfügt über keine politische Verhandlungsexpertise und er kann im US-Aussenministerium auf kein eingespieltes Team zurückgreifen. Viele Schlüsselposten sind nach wie vor nicht besetzt.

3. Übergrosse Egos: In Katar gibt ein junger Emir den Ton an, in Saudi-Arabien ein neuer und ebenfalls junger Kronprinz. Beiden mangelt es nicht an Selbstwertgefühl. Beide wollen sich profilieren. Keiner glaubt, nachgeben zu können, ohne das Gesicht zu verlieren – ein Aspekt, der in der arabischen Welt schwer wiegt. Aus katarischer Sicht käme es einer Preisgabe der Souveränität gleich, wenn man auf sämtliche, sehr weitgehenden Forderungen der Saudis und Co einsteigen würde. Eine Einschätzung, die durchaus plausibel ist. Weshalb der Emir einzig ein bisschen nachgibt, indem er seinen Ministaat in einem Abkommen mit Tillerson auf mehr Kooperation bei der Bekämpfung islamistischer Terrororganisationen verpflichtete. In Saudi-Arabien wiederum, das sich als dominierende arabische Macht etablieren will, hält man es für undenkbar, auch nur ein bisschen einzulenken. Damit das passiert, müssten die USA viel Druck ausüben. Dazu sind sie offenkundig nicht oder zumindest noch nicht bereit. Jedenfalls hat sich Vermittler Tillerson die Zähne ausgebissen an den übergrossen Egos der Golfstaaten-Monarchen.

Die Konsequenz: Der aktuelle Streit ist bitter für Katar, denn es ist – trotz türkischer Unterstützung – der schwächste Akteur. Der Streit ist aber auch schlecht für Katars erbitterte Gegner, vor allem für Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain. Denn es schadet ihren wirtschaftlichen Interessen enorm und letztlich auch ihren politischen. Und: Der Streit ist schlecht für die USA. Die Golfstaaten sind, neben Israel, deren wichtigste Verbündete im Nahen Osten. Zeitweilig hofften die USA gar, dass sie sich zu einer Art Golf-Nato zusammenschliessen. Davon kann einstweilen keine Rede mehr sein. Denn die sechs Golfstaaten sind nun in drei Lager gespalten. Erstens Katar. Zweitens Saudi-Arabien, die Emirate und Bahrain. Drittens die beiden Neutralen, Kuwait und Oman. Wem der Streit am meisten nützt? Dem Land, das die Saudis und die USA unter Trump als grössten Feind betrachten: dem Iran. Teheran kann nichts Besseres passieren, als wenn seine Lokalrivalen, die Golfstaaten, uneins sind. Sein regionaler Einfluss wird so noch grösser.

Die Aussichten: In den nächsten Tagen wollen sich auch Frankreich und Grossbritannien am Golf als Vermittler ins Spiel bringen. Doch ihr regionaler Einfluss ist bescheiden. Eher früher als später müssen sich die USA selber wieder um eine Lösung bemühen. Ohne sie geht es nicht. Aber ob sie es schaffen, ist auch nicht sicher.

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