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International «Eskalation scheint von Separatisten auszugehen»

Die Waffenruhe in der Ukraine ist Makulatur, die Kämpfe zwischen Armee und Separatisten nehmen kein Ende. Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass sich die Situation angesichts des nahenden Winters verschärfen würde.

SRF: Wie erleben Sie die aktuelle Lage in der Ukraine?

Stephan Meuser

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Meuser leitet das Ukraine-Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kiew. Er hat Politik- und Jurisprudenz in Bonn und Paris studiert.

Stephan Meuser: Die Zeichen scheinen tatsächlich auf Eskalation zu stehen. Das habe ich mir bis vor kurzem nicht vorstellen können. Ich war davon ausgegangen, dass mit dem nahenden Winter die Kampfhandlungen eher abnehmen würden. Die Eskalation scheint aber tatsächlich von separatistischer Seite auszugehen. Nach den sogenannten Wahlen in der Ostukraine kann man – von vielen Quellen bestätigt – Truppenbewegungen aus Richtung der russischen Grenze in die Ukraine hinein beobachten. Als Folge davon reagieren nun auch die Kiewer Kräfte und fordern, dass die ukrainischen Truppen im Osten des Landes verstärkt werden. Ebenfalls hört man in der Hauptstadt immer wieder, das Minsker Abkommen sei politisch tot.

Die ukrainische Armee plant dem Vernehmen nach vorerst aber keine Offensive gegen die Separatisten. Was heisst das?

Kritik aus Moskau

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Während die Kämpfe in der Ostukraine weitergehen, hat Moskau den OSZE-Beobachtern Parteilichkeit vorgeworfen. Diese würden nur die Truppenbewegungen der Rebellen auflisten, Informationen über jene der ukrainischen Armee aber nicht. Die OSZE solle sich auf ihre Aufgabe konzentrieren: Reduktion der Spannungen und Wiederherstellung des Friedens.

Ich gehe davon aus, dass man die Truppen in Richtung strategisch wichtiger Punkte umgruppieren wird. Solche sind etwa der seit Wochen umkämpfte Flughafen von Donezk und die Gebiete in Richtung Schwarmzeerküste. Damit will man verhindern, dass eine Rebellenoffensive entlang der Küste in Richtung Krim-Halbinsel Erfolg haben kann. Die Armee nimmt eine Defensiv-Stellung ein und versucht an neuralgischen Punkten die Truppen zu verstärken.

Die Lage hat sich vor allem seit den sogenannten Wahlen im Osten der Ukraine zugespitzt. Welchen Effekt hatte dieser Urnengang in den Separatisten-Gebieten?

Man war davon ausgegangen, dass man – wenn man es positiv sehen will – nach diesen sogenannten Wahlen wenigstens einen Ansprechpartner haben würde, der für alle Separatisten steht. Die westlichen Beobachter und wohl auch die Politiker in Kiew hatten geglaubt, dass es nun zu einer Konsolidierungsphase kommen würde, dass man mit einer eingefrorenen Frontlinie über den Winter kommen würde. Wir stellen uns hier deshalb die Frage, was diese grossen Truppenbewegungen sollen, nun, da der Winter naht.

Kiew schliesst direkte Friedensgespräche mit den Separatisten aus. Was schliessen Sie daraus?

Man möchte die Separatisten nicht aufwerten, das ist das alte Ziel der ukrainischen Politik. In Minsk sassen sie zwar mit am Tisch. Aus Kiewer Sicht hat man nun einige Punkte des Minsker Abkommens vom September erfüllt. So trat etwa das Sonderstatus-Gesetz für die Gebiete in der Ostukraine in Kraft. Doch nach den sogenannten Wahlen ist die Stimmung umgeschwenkt. Man hat nicht verstanden, wieso die Wahlen nicht im Dezember abgehalten wurden, wie es das Sondergesetz vorgesehen hätte.

Audio
«Die Zeichen scheinen tatsächlich auf Eskalation zu stehen»
aus SRF 4 News aktuell vom 14.11.2014.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 20 Sekunden.

Wie ist die Stimmung in Kiew? Findet auch auf ukrainischer Seite eine Radikalisierung statt?

Man hat eine Eskalation im rhetorischen Sinne bereits im Wahlkampf zu den Parlamentswahlen gesehen: So trat Premier Jazenjuk hauptsächlich im Tarnanzug auf, er liess sich auf einem Panzer fahrend fotografieren. Auch haben bei den Wahlen jene Parteien mit populistischen und kampfbetonten Forderungen recht gut abgeschnitten. Insofern hätte es eine politische Kraft, die für eine ausgleichende Politik und eine Verständigung mit den Separatisten und Russland plädieren würde, derzeit in Kiew sehr schwer.

Das Interview führte Urs Gilgen.

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