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EU im Iran-Streit mit den USA Wirtschaftlich riesig, weltpolitisch zwergenhaft

Für die EU geht es im US-Streit um Durchsetzungskraft in der Aussenpolitik. Das Problem liegt tiefer. Eine Analyse.

Der amerikanische Präsident Donald Trump will mit seinem Rückzug aus dem Atom-Abkommen und mit den neuen Wirtschaftssanktionen nicht nur den Iran in die Knie zwingen. Er droht auch europäischen Unternehmen, die im Iran Geschäfte machen, mit drastischen Konsequenzen.

Tut die EU nichts, macht sie sich zur Handlangerin der USA – denn die allermeisten Unternehmen nehmen eher den Wegfall des Iran-Geschäfts in Kauf als Probleme mit der Supermacht USA. Sorgt die EU hingegen dafür, dass die Iran-Geschäfte weiterlaufen wie bisher und der Geist des Atom-Abkommens aufrechterhalten wird, geht sie auf Konfrontationskurs mit Donald Trump.

Kuschen oder kämpfen? Die Iran-Krise stürzt die Europäische Union in ein Dilemma. Sie zaudert und zögert. Denn egal, wofür sie sich entscheidet: Sie wird einen politischen Preis bezahlen müssen. Einige Mitgliedsstaaten haben sich bereits für einen Konfrontationskurs stark gemacht. Allen voran, wenig verwunderlich, das amerika-kritische Frankreich mit dem selbstbewussten Präsidenten Emmanuel Macron.

Deutschland verlässt sich auf sich selbst

Anders die Deutschen: Sie mahnen zur Vorsicht, wollen das Iran-Abkommen zwar retten, aber nicht um jeden Preis. Zwar sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nach dem Amtsantritt von Donald Trump: «Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei.» Doch auf die EU, deren Teil sie sind, wollen sich die Deutschen eben auch nicht völlig verlassen.

EU-Chefs tagen zu Amerika

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Die EU-Staats- und Regierungschefs treffen sich heute Abend in Sofia zu einem informellen Abendessen vor dem EU-Westbalkan-Gipfel vom Donnerstag. Dabei beraten die EU-Chefs über ihre Antwort auf die jüngsten Entscheidungen von US-Präsident Donald Trump. Es geht um Trumps Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran und die angedrohten US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus der EU, indirekt also auch um das künftige Verhältnis der EU zu den USA.

Frankreich und Deutschland sind sich uneins, welche Konsequenzen aus der Iran-Krise zu ziehen sind. Das Zaudern und Zögern der EU lässt sich in dieser wie in anderen Krisen mit den Meinungsverschiedenheiten zwischen ihren Mitgliedsstaaten erklären.

Doch das Problem liegt tiefer. Die EU hat zwar einen gemeinsamen Markt und eine eigene Währung, doch in aussen- und verteidigungspolitischen Fragen ist sie bis heute ein loser Staatenbund geblieben. Ohne Präsident, ohne Armee, ohne schlagkräftige Diplomatie.

EU muss ihren Platz in der Welt finden

Denn während des Kalten Krieges hatte sich die EU aussen- und verteidigungspolitisch tatsächlich voll und ganz auf die USA verlassen. Sie prosperierte unter dem atomaren Schutzschirm der Amerikaner. Die Welt war aufgeteilt in Ost und West – die EU musste sich über ihren Platz keine Gedanken machen.

Nun aber soll die EU nach dem Willen vieler ihrer Bürger selbstbewusster auf der Weltbühne auftreten. Als Machtblock mit 500 Millionen Einwohnern könnte sie den USA, China und Russland Paroli bieten. Doch die Mittel dafür hat sie bis heute nicht.

Die Iran-Krise führt deutlich vor Augen, wie zwergenhaft sich der Wirtschaftsriese EU auf der weltpolitischen Bühne bewegt. Das ist das eigentliche Dilemma der EU. Klar, Donald Trump könnte ein Weckruf sein. Er könnte die Mitgliedsstaaten davon überzeugen, der EU aussen- und verteidigungspolitisch mehr Macht und Mittel zu übertragen. Weil eine geeinte EU weltpolitisch mehr ausrichten könnte als Frankreich, Deutschland oder Italien im Alleingang.

Hoffnung auf Trumps Abwahl

Könnte. Doch ein echter Wille dazu ist nirgendwo zu erkennen. Emmanuel Macron beschwört zwar eine neue «europäische Souveränität». Aber auch er will die weltpolitische Schlagkraft Frankreichs – ein ständiger Sitz im UNO-Sicherheitsrat, Geheimdienste, Atomwaffen – nicht der EU übertragen.

Manch einer in der EU dürfte vor allem darauf hoffen, dass Donald Trump 2020 durch einen Nachfolger ersetzt wird, der wieder mehr Berechenbarkeit und Verlässlichkeit in die transatlantischen Beziehungen bringt.

Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass die Welt seit dem Ende des Kalten Kriegs unvorhersehbarer und unübersichtlicher geworden ist. Und dass die EU ihren Platz in dieser Welt noch nicht wirklich gefunden hat.

Sebastian Ramspeck

Sebastian Ramspeck

Internationaler Korrespondent

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Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

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