Die deutsche Spitzenpolitikerin Ursula von der Leyen ist eigentlich bekannt dafür, dass sie Krisen so gut weglächeln kann wie sonst kaum jemand. In dieser Krise scheint es anders zu sein. Ursula von der Leyen muss dieser Tage ihre erste grosse Bewährungsprobe als Chefin der EU-Kommission meistern. Wegen des schleppenden Impfstarts innerhalb der Europäischen Union wird die Kritik an der Kommission und ihrer Chefin von Tag zu Tag lauter.
Es ist zwar richtig, dass Staaten wie Grossbritannien oder Israel schneller Verträge mit grossen Pharmaunternehmen abgeschlossen und auch schneller die Impfstoffe zugelassen haben als die EU, aber das zögerliche Vorgehen bei den Vertragsverhandlungen hatte auch seine Gründe. Wichtige Fragen zu Themen wie Datenschutz oder zur Haftung mussten gründlich geklärt werden und bei der Prüfung der Vakzine hat die EU auf Notfallzulassungen verzichtet.
Es ist auch nicht nur die EU-Kommission, die für die ausgehandelten Verträge verantwortlich ist, sondern die 27 Mitgliedsstaaten waren ständig über die Verhandlungen und die Inhalte der Verträge informiert. Sie waren es auch, welche die EU-Kommission mit den Verhandlungen beauftragt hatten.
Von der Leyen schickt Gesundheitskommissarin vor
Was man der Kommissionspräsidentin vorwerfen kann, ist die mangelnde Krisenkommunikation. Als zu Beginn des Jahres die ersten kritischen Stimmen wegen des langsam anlaufenden Impfstarts aus EU-Ländern kamen, schickte Ursula von der Leyen die Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides vor. Auch während der letzten Woche, als sich der in der Öffentlichkeit ausgetragene Konflikt zwischen dem Pharmaunternehmen AstraZeneca und der EU-Kommission von Tag zu Tag zuspitzte, war es Kyriakides, die an einer Pressekonferenz in Brüssel die Fragen von Journalistinnen und Journalisten beantworten musste.
Ursula von der Leyen stellte sich erst am vergangenen Freitag einem Interview mit dem Deutschlandfunk, am Sonntag sprach sie mit dem ZDF und am Montag gab sie grossen europäischen Zeitungen ein Interview. Viel von ihrem bekannten Lachen ist da nicht mehr zu sehen. Der Druck, der auf der deutschen Politikerin lastet, ist deutlich spürbar. Einer Pressekonferenz in Brüssel stellt sie sich zwar nach wie vor nicht, dafür zeigen die Interviews der letzten Tage, dass von der Leyen wegen der Beschaffung der Impfstoffe nervös ist. Selbstkritische Aussagen gibt es nicht, dafür das Versprechen beim ZDF, dass es bald mehr Impfstoffdosen für die Bevölkerung geben werde.
EU-Kommission verärgert das Vereinigte Königreich
Die Kritik an der EU-Kommission und ihrer Chefin spitzte sich am vergangenen Freitag zu. An die Öffentlichkeit drang die Information, dass es Exportkontrollen von Impfstoffen an der Grenze zwischen Irland und Nord-Irland geben soll. Die Empörung im Vereinigten Königreich war riesig. Genau dort soll es auch nach dem Brexit eben keine Kontrollen geben. Von der Leyen versuchte sofort die Wogen zu glätten und telefonierte mit Boris Johnson. Der Schaden war aber bereits angerichtet. Auch wenn dieser Fauxpas nicht direkt auf die Präsidentin zurückgeführt werden kann, trägt sie als oberste Chefin die Verantwortung dafür.
Ursula von der Leyen wird diese Krise meistern können. Es ist nicht das erste Mal in ihrer Karriere, dass sie heftigen Gegenwind spürt. Sie ist aber angeschlagen und darauf angewiesen, dass sie mit einer transparenten Kommunikation das Vertrauen zurückgewinnen kann.