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EU-Korruptionsskandal Ein Desaster für die ganze Europäische Union

Die politische Agenda in Brüssel ist voll in den Tagen vor Weihnachten: EU-Gipfel, Einfrierung von EU-Geldern für Ungarn oder die Diskussionen um einen Gaspreisdeckel. Grosse Themen. Doch das Thema, das im Brüsseler Europaviertel vor den Weihnachtsferien für noch grösseren Gesprächsstoff sorgt, ist ein anderes: der mutmassliche Korruptionsskandal im EU-Parlament.

Eine Woche ist vergangen, seit die belgische Polizei in Brüssel sechs Personen verhaftete. Darunter Eva Kaili, eine von 14 Vizepräsidentinnen des Europäischen Parlaments. Der Vorwurf: Korruption, Geldwäsche und die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Ein Golfstaat, mutmasslich Katar, soll versucht haben, mit Koffern voller Geld die Entscheide im Parlament zu seinen Gunsten zu beeinflussen.

Wie gross wird diese Affäre noch werden?

Seither fragt man sich in Brüssel und Strassburg: Wie gross wird diese Affäre noch werden? Und bleibt sie auf das EU-Parlament beschränkt?

Das Engagement einiger aktiver und ehemaliger EU-Politiker wirft mittlerweile ein schlechtes Licht auf die ganze Union: EU-Kommissar Margaritis Schinas, der sich in sozialen Netzwerken geradezu begeistert vom WM-Gastgeber Katar zeigt. Oder die ehemalige EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini und der Ex-Kommissar Dimitris Avramopoulos, die bis vor Kurzem im Vorstand von Fight Impunity sassen. Die italienische NGO steht ebenfalls im Fokus der Ermittler.

Auch wenn es bisher keine Hinweise gibt, dass diese Personen in den Skandal verwickelt sind: Die Aussenwirkung ist fatal.

Volle Aufklärung unabdingbar

Die Affäre beschädigt längst nicht mehr nur das Image des EU-Parlaments. Sie ist ein Desaster für die ganze Europäische Union. «Es braucht Jahre, um Vertrauen aufzubauen, und nur einen Moment, um es zu zerstören», sagte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola im Vorfeld des EU-Gipfels vom Donnerstag.

Das Vertrauen kann nur wiederhergestellt werden, wenn dieser Skandal möglichst rasch in vollem Umfang aufgeklärt wird. Es ist deshalb ganz im Interesse der Europäischen Union, wenn die belgischen Ermittler auch über die Festtage weiterarbeiten. Man darf gespannt sein, was sie noch ans Tageslicht befördern.

Andreas Reich

EU-Korrespondent

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Andreas Reich ist seit November 2022 TV-Korrespondent von SRF in Brüssel. Zuvor arbeitete der studierte Jurist als Auslandredaktor und Onlineproduzent im SRF-Newsroom in Zürich und berichtete als freier Reporter aus Südosteuropa.

Tagesschau, 14.12.2022, 19:30 Uhr

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