Zum Inhalt springen

EuGH zum Flüchtlingsstreit Die Verlierer feiern ihre Niederlage

Der Europäische Gerichtshof EuGH hat Polen, Ungarn und Tschechien verurteilt – weil sie sich 2015 geweigert hatten, Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufzunehmen. Waren sich die drei Regierungen damals einig in ihrer Weigerung, erklärten sie heute einmütig, dass ihnen diese Niederlage vor Gericht vollkommen egal sei.

Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš erklärte trotzig: «Wir haben diese juristische Auseinandersetzung zwar verloren, aber das ist nicht wichtig.» Und legte dann nach: «Entscheidend ist, dass wir keine Migranten aufnehmen werden und dass das Quotenprojekt in der Zwischenzeit beendet wurde – und das hauptsächlich dank uns.»

Schulterzucken in Warschau und Budapest

Polens Regierungssprecher Piotr Müller wies darauf hin, dass das Urteil «keine praktische Relevanz» habe, weil die EU-Beschlüsse zur Umverteilung von Asylbewerbern aus Griechenland und Italien ohnehin im September 2017 abgelaufen seien.

Die polnische Regierung nehme das Urteil des Gerichtshofs zwar zur Kenntnis, aber: «Die Weigerung, in einer Migrationskrise Umsiedlungsentscheidungen zu treffen, wurde durch die Notwendigkeit diktiert, die innere Sicherheit Polens (…) vor unkontrollierter Migration zu schützen. Das wichtigste Ziel der Regierungspolitik ist die Gewährleistung der Sicherheit unserer Bürger.».

Ganz ähnlich die Reaktion aus Budapest: Die ungarische Justizministerin Judit Varga erklärte, die Geschichte habe Ungarn recht gegeben. Kein einziges EU-Land ausser Malta habe die Quotenbeschlüsse von 2015 korrekt umgesetzt. Die EU-Kommission habe offensichtlich diskriminierend agiert, als es Ungarn, Polen und Tschechien vor Gericht brachte.

Von Einsicht keine Spur

Kaum jemand ist überrascht von diesem Mangel an Schuldbewusstsein. Das Urteil kommt diesen drei Regierungen sogar gelegen. Sie gewannen die Wahlen in ihren Ländern auch deshalb, weil sie versprachen, eine harte Flüchtlingspolitik zu machen. Mit diesem Urteil können sie dies ihrer Wählerschaft trefflich demonstrieren.

Zur Strategie der drei Regierungen gehört es auch, ständig zu kritisieren, die EU-Führung mische sich zu stark in die nationale Politik ein. Auch hier kommt ihnen dieses EuGH-Urteil höchst gelegen. Zu befürchten haben die Regierungen wenig. Auch eine Geldbusse könnten die drei verurteilten Regierungen bequem zu PR-Zwecken nutzen.

So legt dieser Entscheid wieder einmal den tiefen Graben zwischen Ost- und Westeuropa offen. Westeuropa hofft immer noch, die Osteuropäer Solidarität lernen. Osteuropa dagegen ist überzeugt, dass Europa nur an ihrem Beispiel gesunden kann.

Balázs Hidvéghi, der Sprecher der ungarischen Regierungspartei Fidesz, sagte denn auch bereits vor einem Jahr ins SRF-Mikrofon: «Die erfolgreiche Zukunft der EU liegt hier. In Ungarn, Polen, Tschechien, der Slowakei und Kroatien. Wir werden stärker, weil wir eine klare Vision haben und eine regionale Identität. Ja, wir sind die Zukunft Europas, und von uns kann man etwas lernen.»

Peter Balzli

Österreich- und Osteuropa-Korrespondent

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Peter Balzli hat Wirtschaft und Medienwissenschaften in Bern und Berlin studiert. Danach absolvierte er die Ringier-Journalistenschule und begann 1995 beim SRF zu arbeiten. Bevor er zwischen 2001 und 2013 als SRF-Korrespondent aus Paris und London berichtete, arbeitete Balzli 2000 bis 2001 als Delegierter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Seit 2016 ist Peter Balzli Österreich- und Osteuropa-Korrespondent.

Meistgelesene Artikel