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Europa-Partei Volt Damian Boeselager – einziger Pan-Europäer im EU-Parlament

Der junge Deutsche kämpft mit seiner Partei Volt für mehr statt weniger Europa. Porträt einer grenzübergreifenden Idee.

Gross gewachsen, Sneakers mit offenen Schnürsenkeln an den Füssen, modische Winterjacke, Rollkragenpullover: Damian Boeselager könnte einer der vielen jungen Mitarbeiter im Parlamentsdienst sein.

Ist er aber nicht, sondern Berufspolitiker – seit zweieinhalb Jahren EU-Abgeordneter. Sein erstes politisches Amt überhaupt. «Ich hatte keinen blassen Schimmer, was mich erwartet. Ich kannte kaum europäische Abgeordnete. Ich wusste nicht, wie die Fraktionen und die Ausschüsse funktionieren.

Ich hatte keinen blassen Schimmer, was mich erwartet.

Das tönt nach einer eher zufälligen Wahl, ist aber falsch, denn alles war wohlüberlegt: Boeselager schnupperte erste Berufserfahrung in Grossbritannien nach dem Studium. Für den jungen Wanderarbeiter war der Brexit ein Schock.

Mit einer Freundin aus Frankreich und einem Freund aus Italien gründete der Deutsche die erste länderübergreifende Partei mit einem paneuropäischen Parteiprogramm. Es brauche nicht weniger, sondern mehr Europa. Darum ist Volt entstanden.

Eine Hipster-Partei der Europa-Freunde?

«Wir sind jetzt in 16 Ländern als Partei registriert und hoffen, bald auf die 27 zu kommen. Es sind jetzt 75 lokale Abgeordnete und europaweit 20'000 oder 25'000 Mitglieder.» Volt sei die Hipster-Partei der Europa-Freunde, sagen kritische Stimmen. «Ich höre gern, dass wir den Zeitgeist treffen und hoffe, dass wir nicht nur die Hipster erreichen».

Ich höre gern, dass wir den Zeitgeist treffen und hoffe, dass wir nicht nur die Hipster erreichen.

Zeitgeist in den Augen des Volt-Gründers ist die Einsicht vieler junger Menschen, dass Kooperation über alle Grenzen hinweg besser wäre als nationale Alleingänge. Volt politisiert aus der Mitte heraus, ist zugleich grün in Wirtschaftsfragen und liberal links etwa in der Asylpolitik.

Wobei die Volt-Mitglieder nie in solch klassischen Kategorien denken würden. Volt will anders Politik machen – vernetzt, digital. Auf einer internen Internetplattform tauschen sich alle Parteimitglieder länderübergreifend aus, lancieren Ideen und stimmen Positionen ab, für die sich dann alle einstehen.

Parlamentarische Demokratie

Das sei für ihn die Hauptaufgabe von Volt, erklärt Boeselager. «Wir wollen in Richtung parlamentarische Demokratie. Denn das Abwägen von Nationalinteressen hat in der Vergangenheit nur zu Kriegen geführt und kann auch heute die Herausforderungen nicht lösen, etwa von Klimawandel, Migration und Digitalisierung.»

Das Abwägen von Nationalinteressen hat in der Vergangenheit nur zu Kriegen geführt und kann auch heute die Herausforderungen nicht lösen.

Boeselager ist überzeugt, dass mehr Europa und mehr gemeinschaftliche Problemlösungen nur durch Druck von unten zu erreichen sind. Darum wolle Volt auch aus allen 27 Ländern heraus für die nächsten Europawahlen antreten. Vorerst schaffte es aber nur Boeselager ins EU-Parlament, ein Einzelkämpfer.

Gerade heute konnte er im EU-Parlament einen politischen Erfolg verbuchen. Als Mit-Initiant einer erfolgreichen Aufforderung an die EU-Staaten, auf alle Energie-Importe aus Russland zu verzichten.

Freiherr mit Mission

Damian Hieronymus Johannes Freiherr von Boeselager, 34 Jahre jung. Der Vater ist Banker. Der Grossvater war Offizier, aber auch Widerstandskämpfer im Nationalsozialismus. Der junge Politiker steht mit ironischer Distanz zu seiner adeligen Familiengeschichte. Und trotzdem ist im Gespräch etwas von dieser Pflicht spürbar, sich für den guten Lauf der Geschichte zu engagieren.

Und dabei ist sein Startup-Unternehmen Volt genau genommen noch im Gründungsmodus. Mit der einzigen Partei im EU-Parlament, die ein pan-europäisches Parteiprogramm verfolgt. Denn alle anderen Parteien sind eigentlich Ableger von nationalen Parteien ohne Programm auf europäischer Ebene.

Echo der Zeit, 07.04.2022, 18:00 Uhr

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