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Europa und die USA unter Trump «Die USA sind weit mehr als ihr Präsident»

Die Weigerung von US-Präsident Donald Trump, die zunächst von ihm unterstützte Abschlusserklärung des G7-Gipfels zu unterschreiben, ist beispiellos.

Für den Politikwissenschaftler Thomas Jäger zeigt Trumps Verhalten: Ohne die USA geht gar nichts. Zwar sträuben sich die Europäer gegen Trump, doch sie müssen seine Politik schlucken. Es sei denn, sie finden schnellstens Verbündete innerhalb der USA.

Thomas Jäger

Politikwissenschaftler

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Der Politologe Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Aussenpolitik mit Schwerpunkt USA an der Universität Köln.

SRF News: War der Eklat um die Abschlusserklärung des G7-Gipfels bloss wiedermal «typisch Trump» – oder ist das eine Art Zäsur, die wir hier beobachten?

Thomas Jäger: Entscheidend ist, wie man in Europa, Kanada und Japan darauf reagieren wird. Trump hat zwar das Abschlussdokument weggewischt, aber damit nicht das Format der G7 zerstört. So lange die USA beim G7-Prozess mitmachen, so lange wird die G7 von Bedeutung sein. Es kommt nun darauf an, wie die anderen G7-Mitglieder Trumps Verhalten interpretieren: Wollte er damit bloss den Druck auf sie erhöhen, oder glauben sie, dass er sich jetzt andere Bündnispartner sucht – beispielsweise Wladimir Putin und Xi Jinping?

Die Europäer sind von den USA abhängig. Allein könnten sie weder die Sicherheit noch den Welthandel garantieren.

Wie analysieren Sie die aktuelle Situation? In welche Richtung geht das Ganze?

Das Problem der deutlichen Worte aus Europa – etwa von Angela Merkel oder Theresa May – ist, dass nichts dahinter steckt. Die europäischen Staaten sind in ihren wichtigsten Aufgaben von den USA abhängig. Ohne diese können die Europäer weder ihre Sicherheit noch den Welthandel gewährleisten. Letzteres nicht zuletzt, weil sie es nicht geschafft haben, den Euro als Reserve-Weltwährung aufzubauen. Deshalb ist Trumps Position immens stark. Das spielt er ebenso brutal wie unbarmherzig aus. Am Ende werden die Europäer wenig mehr tun können, als Trump entgegenzukommen.

Trump will keinen umfassenden multilateralen Prozess – er zerlegt diesen vielmehr in viele kleine Schritte, in denen er sich jeweils durchsetzen will.

Trump nützt seine starke Position also gnadenlos aus?

Ja. Man sieht das auch daran, dass er Handels- und Verteidigungsfragen miteinander verknüpft, was ihm von den Europäern vorgeworfen wird. Aus amerikanischer Sicht ist das aber eine Möglichkeit, die eigenen Interessen noch stärker durchzusetzen. Trump will keinen umfassenden multilateralen Prozess mehr mit den europäischen, kanadischen und japanischen Verbündeten führen – er zerlegt diesen Prozess stattdessen in viele kleine Schritte, in denen er sich jeweils durchsetzen will. Darauf haben sich die Europäer noch nicht eingestellt.

Trump spricht auf einem Podium vor dem Kapitol.
Legende: Das Feld sollten die Europäer nicht Trump allein überlassen. Sie sollten sich Verbündete im Kapitol suchen, sagt Politologe Jäger. Imago

Sie haben gesagt, die G7 existiere auch ohne eine von den USA unterschriebene Abschlusserklärung des Kanada-Gipfels weiter. Inwiefern tut sie das?

Im Rahmen der G7 kommen auch deren Notenbankchefs zusammen oder es wird über Wissenschafts- oder Forschungspolitik gesprochen. So lange dieser Prozess weitergeführt wird, so lange ist die Gruppe der 7 von Bedeutung. Denn so kommt man in den unterschiedlichsten Politikgebieten auf gemeinsame Positionen. Das Gipfeltreffen selber ist bloss eine grosse, jährlich stattfindende PR-Show, die diese Prozesse und Zusammenarbeit abbilden soll. Die Zusammenarbeit im Rahmen der G7 auf den unterschiedlichsten Feldern hält es aus, wenn der Gipfel für einmal so endet wie dieses Mal.

Trotzdem gibt es grosse Differenzen, etwa in der Klimapolitik. Ausserdem kam Trump später zum Gipfel und er verliess ihn früher als die anderen. Da ist doch nicht alles paletti?

Paletti ist überhaupt nichts. Doch diese Unterschiede sind halt eine Tatsache. Sie sind seit Trumps Amtsantritt zwar deutlicher geworden, doch manche waren auch schon vorher da. So war es Trump nur deshalb möglich, mit einem einzigen Federstrich aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, weil sein Vorgänger Barack Obama es nicht vom Senat hat ratifizieren lassen. Dies wiederum verdeutlicht, dass es in den USA schon immer eine grosse Opposition gegen das Klimaabkommen gegeben hat.

Die transatlantischen Beziehungen sind für die Europäer viel wichtiger als für die USA.

Inzwischen hat sich diese Art von Trump durchgesetzt, doch die Europäer haben noch keine Möglichkeiten gefunden, damit umzugehen. Doch das werden sie noch lernen müssen. Denn die transatlantischen Beziehungen sind für die Europäer viel wichtiger als für die USA. Ausserdem wird man möglicherweise noch sechs Jahre lang mit Präsident Trump zu tun haben.

Was ist das Rezept für die Europäer? Sollten sie sich verstärkt anderen grossen Mächten wie China annähern?

Das ist ein Holzweg, denn alle Probleme, die mit den USA bestehen, gibt es mit China oder Russland in noch viel stärkerem Ausmass. Auch hätte man es dort nicht mit Demokratien zu tun, auf die man auch anders Einfluss nehmen kann. Genau hier liegt wohl ein Rezept für den Umgang mit den USA: Zwar hat das Land derzeit einen Präsidenten, mit dem man es nicht gut kann. Doch die USA sind weit mehr als bloss ihr Präsident. Es gibt insbesondere in der Legislative der USA – im Senat und im Repräsentantenhaus – viele Kräfte, mit denen man schon vor Jahren Netzwerke hätte aufbauen sollen. Dieser Prozess hat erst jetzt begonnen, als man sah, dass es Trump mit der Aufkündigung des Iran-Abkommens ernst ist. Erst da traf man sich von europäischer Seite mit amerikanischen Abgeordneten.

Die Europäer dachten, es reiche, einen Verbündeten im Weissen Haus zu haben. Um das Kapitol haben sie sich nicht gekümmert.

Im Bereich Handel wäre es genauso: Wenn man genügend Verbündete in der US-Legislative hätte, dann könnten diese ihrem Präsidenten sehr wohl einen Riegel vorschieben. So könnte es das Parlament etwa verbieten, unter vorgeschobenen Gründen der nationalen Sicherheit Zölle gegen europäische Staaten zu erheben. Doch die Europäer verhielten sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten etwas sehr selbstgefällig – man dachte, es reiche, einen Verbündeten im Weissen Haus zu haben. Doch um das Kapitol, den Sitz des amerikanischen Parlaments, hat man sich überhaupt nicht gekümmert.

Das Gespräch führte Beat Soltermann.

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