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Europäischer Gerichtshof Höhere Hürde fürs Speichern von Daten auf Vorrat

EU-Staaten dürfen Telekommunikationsdaten ihrer Bürger nicht ohne Weiteres speichern. Sie brauchen einen Grund dafür.

Wo sind Sie hingegangen? Wem haben Sie eine Mitteilung geschickt? Die Schweiz und ein Teil der EU-Staaten sammeln solche Telekommunikationsdaten auf Vorrat. In der EU wird das nun verboten, ausser, es liegt ein Grund vor. Allein die Bekämpfung schwerer Straftaten kann einen solchen Eingriff in die Grundrechte rechtfertigen.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschied schon im Jahr 2014, dass Europäische Richtlinien für die Vorratsdatenspeicherung ungültig seien. Diesmal musste es über die neuen, nationalen Regeln von Schweden und Grossbritannien urteilen.

Die Argumente des Gerichtshofs

  • Daten auf Vorrat sammeln zu lassen sei ein schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Bürger. Denn mit solchen Daten sei es möglich, Schlüsse auf das Privatleben eines Menschen zu ziehen.
  • Sammeln Staaten solche Daten, lösen sie bei den Menschen das Gefühl aus, überwacht zu werden, und das ist unzulässig .
  • Die Länder dürfen zwar Daten auf Vorrat speichern, aber es muss ein Bezug zu einer schweren Straftat bestehen. Die Sammlung der Daten soll sich auf das absolut Nötigste beschränken.
  • Als Folge von Terroranschlägen hat der politische Druck in Europa zugenommen, solche Daten auf Vorrat zu speichern. Doch das Gericht will die Grundrechte der Menschen schützen.

SRF News: Sie kritisieren seit Längerem, dass heute Daten flächendeckend gespeichert werden. Fühlen Sie sich in Ihrer Kritik bestärkt?

Martin Steiger

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Steiger ist Rechtsanwalt in Zürich und ist auf Recht im digitalen Raum spezialisert. Seine Schwerpunkte sind IT-, Immaterialgüter- und Medienrecht.

Martin Steiger: Das Urteil ist grossartig. Der Europäische Gerichtshof hat nun schon zum zweiten Mal nach 2014 die allgemeine Vorratsdatenspeicherung deutlich kritisiert. Und auch wenn das Urteil nicht für die Schweiz gilt, so ist es doch massgebend. Denn wir haben die gleichen Grundrechte, und wir haben letztlich die gleiche Vorratsdatenspeicherung.

Wird das Bundesgericht in einem kommenden Fall in der Schweiz das Urteil aus Luxemburg berücksichtigen?

Ich hoffe, dass die Bundesrichter das Urteil wie auch schon jenes von 2014 sehr genau lesen werden. Wenn man das heutige Urteil ansieht, dann war das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das an der Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz erst kürzlich festgehalten hat, ein Fehlurteil. Das muss sich ändern. Ich bin optimistisch. Und falls das auf nationaler Ebene nicht funktioniert, dann wissen wir, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz entscheiden werden muss.

Es gibt eine Hintertür im EuGh-Urteil: Um schwere Straftaten zu verhindern, dürfe man die Daten speichern...

Ja, da ist eine Ausnahme vorgesehen. Ich persönlich kann gut damit leben. Das ist eine gezielte Vorratsdatenspeicherung und die Anforderungen sind so hoch, dass das wirklich nur der Strafverfolgung und der Prävention schwerer Straftaten dienen kann. Auch erfreulich: Die Betroffenen müssen informiert werden – wie bei herkömmlicher Überwachung. Und es muss ein Verdacht vorhanden sein. Dagegen hat niemand etwas. Aber es muss grundrechtskonform und verhältnismässig sein.

Wie ist es bei terroristischen Akten, mit sogenannten Schläfern?

Den Schläfer findet man per Definition auch mit Massenüberwachung nicht. Das zeigen ja gerade die inzwischen zahlreichen Terroranschläge in Europa. Weil Schläfer häufig Normalbürger sind, hat man sie dann zwar in der Überwachung, aber das alleine hilft nichts. Wenn man alle überwacht, hat man sie auch immer im Netz, aber das ist nicht zielführend. Das hat die Realität leider gezeigt.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

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