- Der Europäische Gerichtshof bremst die EU aus. Teile des Freihandelabkommens mit Singapur brauchen gemäss den Richtern die Zustimmung der Mitgliedsländer.
- Die Ratifizierung von Handelsabkommen durch alle nationalen Parlamente werde grundsätzlich nötig, wenn der Vertrag möglichst viele Bereiche abdecke.
- Die EU möchte vor dem Hintergrund des neuen US-Protektionismus rasch umfassende Freihandelsverträge mit Japan, Mexiko und den Mercosur-Staaten schliessen.
Die Pläne der EU für ambitionierte Freihandelsabkommen haben vor dem höchsten Gericht der Staatengemeinschaft einen herben Dämpfer erhalten. Die Richter in Luxemburg haben damit faktisch ein Veto-Recht für europäische Mitglieds-Parlamente gegen Freihandelsabkommen der EU geschaffen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied, dass Verträge wie der mit Singapur nicht in die alleinige Zuständigkeit der EU-Institutionen fallen.
Nicht einfach über den Kopf der Bürger hinweg
Für EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker grenzt das Verdikt an einen Keulenschlag. Seine Brüsseler Behörde hatte die Position vertreten, dass nach EU-Recht lediglich eine Mitwirkung der Regierungen der Mitgliedstaaten und des Europaparlaments am Abschluss der Freihandelsabkommen vorgesehen ist.
Die EU-Kommission, die den EuGH selber angerufen hat, beschwörte dabei das Bild einer lahmgelegten Handelspolitik. So würde nämlich bereits das Nein eines einzigen nationalen Parlaments genügen, um ein Freihandelsprojekt zu stoppen.
Wie das aussehen könnte, haben die Wallonen vergangenen Herbst vorgeführt: Erst nachdem die belgische Regierung der Wallonie massiv in die Parade gefahren ist, sah die Regionalregierung von einer weiteren Blockade ab, und das Handelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada kam dennoch zustande.
Die Regierungen der Mitgliedstaaten wollen sich ungeachtet dieser Erfahrungen mit Ceta die Möglichkeit offen halten, auch ihre nationalen Parlamente zu beteiligen. Sie verweisen vor allem auf die scharfe Kritik an grossen Freihandelsprojekten wie den Plänen für das US-europäische Abkommen TTIP. Diesen wollen sie mit einer stärkeren Mitwirkung der Parlamente begegnen.
Die Luxemburger Richter beziehen sich in ihrem Urteil konkret auf ein mit Singapur ausgehandeltes Freihandelsabkommen. Die Einschätzungen des Europäischen Gerichtshofes gelten aber auch für alle anderen Abkommen.
Einschätzung von EU-Korrespondent Oliver Washington
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist ein Rückschlag für die EU-Kommission. Allerdings haben wir nun Klarheit. Wir wissen, dass alle Parlamente der EU-Mitgliedsländer mitreden können. Das ist auch im Interesse der EU-Kommission. |
Die EU hat nun zwei Möglichkeiten: Sie kann entweder aus den Abkommen alle Bereiche herausstreichen, bei denen die Parlamente mitreden können. Oder sie muss, wenn sie an den Abkommen festhalten möchte, die Interessen der Mitgliedsstaaten besser berücksichtigen – und zwar von Anfang an. |