Als Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament muss Manfred Weber vor allem eines können: Brücken bauen.
Denn die EVP ist die europäische Mutterpartei völlig unterschiedlicher Formationen: von der christlichsozialen CSV des Luxemburgers Jean-Claude Juncker bis zu Viktor Orbans rechtsnationaler Fidesz in Ungarn.
Manfred Weber von der bayerischen CSU ist stolz darauf, eine hohe Fraktionsdisziplin durchgesetzt zu haben. Bei Abstimmungen über EU-Gesetze gibt es bei der EVP weniger Abweichler als in anderen Fraktionen.
Katholisch, konservativ, rechts
Jetzt will Weber vom Fraktionschef zum Präsidenten der EU-Kommission aufsteigen. Und hat dafür sein politisches Profil geschärft: katholisch, konservativ und weiter rechts als Amtsinhaber Juncker.
Ein Spagat, der die Delegierten der EVP an ihrem Parteikongress in Helsinki überzeugte. Weber warb für Kompromisse, setzte aber gleichzeitig auf die Lieblingsthemen des rechten EVP-Flügels: den Schutz vor illegaler Einwanderung und die Bewahrung des christlichen Erbes Europas.
Mit fast 80 Prozent der Stimmen wählten die EU-Delegierten ihn zum Spitzenkandidaten für die EU-Wahlen im kommenden Mai. Sein Herausforderer, der Finne Alexander Stubb, gab sich progressiv-liberal, warb für Klimaschutz und Digitalisierung – und scheiterte.
Webers ungewisses Schicksal
Mit der Wahl Webers schärft auch die EVP ihr Profil für die Wahlen, bei denen sie in vielen EU-Staaten von Rechtsaussen-Parteien bedrängt werden wird. Glaubt man ersten Umfragen, wird sie wählerstärkste EU-Partei bleiben.
Ungewisser ist das Schicksal von Weber. Denn der Weg an die Spitze der EU-Kommission ist unberechenbar. Entscheidend ist nicht nur die Zusammensetzung des EU-Parlaments. Auch die Staats- und Regierungschefs haben ein Wörtchen mitzureden.
Modell «Juncker» ohne Zukunft?
Bei den letzten EU-Wahlen haben sie erstmals den Spitzenkandidaten der siegreichen Partei – Jean-Claude Juncker von der EVP – zum Präsidenten der Kommission gemacht. Doch ob dieses «Spitzenkandidatenmodell» eine Zukunft hat, ist offen.
Viele EU-Chefs möchten den Kommissionspräsidenten wieder wie früher selbst bestimmen. Als heisser Kandidat wird der Franzose Michel Barnier gehandelt, der für die EU die Brexit-Verhandlungen leitet. Im Gegensatz zur Weber hat er Regierungserfahrung.
Weber könnte also im Rennen um das Kommissionspräsidium leer ausgehen, sich aber mit einem erfolgreichen Wahlkampf zumindest für ein anderes Spitzenamt empfehlen – in Brüssel, Berlin oder Bayern.