Die Corona-Pandemie ist begleitet von einer enormen Welle von Falschinformationen. Die EU-Kommission macht hierfür vor allem Russland und China verantwortlich, welche die letzten Wochen gezielt Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit und an demokratisch legitimierten Entscheidungen in Europa streuten.
Tausende Falschinformationen fanden die Spezialisten der EU-Kommission im Internet. Auf der Webseite «eu-vs-disinfo» listen sie diese gruppiert nach Themen auf und stellen sie richtig:
- Nein, reinen Alkohol trinken tötet kein Corona-Virus im Körper. Trotzdem wurden bei der belgischen Meldestelle für Vergiftungen in den letzten Wochen 15 Prozent mehr solche Fälle registriert.
- Nein, Mobilfunk-Antennen verbreiten keine Corona-Viren. Trotzdem wurden überall in Europa Sendemasten beschädigt.
Die EU-Expertinnen nennen die Quellen solcher Falschmeldungen, speichern diese als Beleg öffentlich ab und stellen sie in einen grösseren Zusammenhang.
Objektive, überprüfbare Fakten sollen Falschinformationen entlarven. Was zähle, sei die Wahrheit, meint die zuständige EU-Kommissarin, die Tschechin Vera Jourova. Sie weiss um die heikle Gratwanderung, wenn Staaten oder Regierungen festlegen, was Falschmeldungen sind. Darum agiere die EU-Kommission eher zurückhaltend; es gehe nicht darum, ein Ministerium für Wahrheit zu schaffen.
Internetkonzerne sollen spuren
Eine entscheidende Rolle kommt den grossen Internetkonzernen zu. Vor zwei Jahren verpflichteten sich Google, Facebook, Twitter und andere auf einen freiwilligen Verhaltenskodex im Kampf gegen Falschinformationen.
Das habe sich nun ausbezahlt, sagt Jourova. Die Zusammmenarbeit habe sich in den letzten Wochen intensiviert. Der chinesische Anbieter von Kurz-Videos TikTok will sich nun auch den freiwilligen Verpflichtungen unterwerfen; mit WhatsApp seien die Gespräche am Laufen.
Die EU fordert die Internetkonzerne auf, in monatlichen Berichten öffentlich darzulegen, wie sie die Verbreitung von Falschinformationen einschränken. Gleichzeitig droht sie mit neuen Regulierungen bei den digitalen Diensten.
Fakten und Meinungen trennen
Es sei wie im klassischen Wettbewerbsrecht für Unternehmen in Europa, so Jourova: Bürgerinnen und Bürger sollten einen Nutzen daraus ziehen, dass es auf der Grundlage von gleichen Regeln einen fairen Wettbewerb für freie Meinungsäusserung gebe. Dazu bekenne sich die EU.
Neun Millionen Euro stellte die EU in diesem Jahr für den Aufbau von Forschungsgruppen in Mitgliedsstaaten zur Verfügung. Diese sollen dezentral neue Instrumente im Kampf gegen Falschinformationen entwickeln.
Es gehe allerdings nicht darum, die Verbreitung von Desinformation in Europa zu stoppen, denn das sei unmöglich, erklärte der EU-Aussenbeauftragte Josepp Borrell: «Fakten und Meinungen trennen, darum geht es. Meinungen sind frei, Fakten müssen überprüfbar sein.» Das sei die Grundlage für ein funktionierendes demokratisches System.
Thema Impfung als neue Herausforderung
Nach der Pandemie ist vor der nächsten Welle an Desinformation: Die EU-Kommission hat bereits eine neue besorgniserregende Entwicklung identifiziert: Das Thema Impfung. Einer Studie zufolge sei die Impfbereitschaft in Deutschland in weniger als zwei Monaten um fast 20 Prozentpunkte gesunken. Die Zahl der Falschmeldungen zu diesem Thema steige zurzeit stark an, so die Kommission.