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Fall Carles Puigdemont Katalonien: Eine Krise, die juristisch nicht lösbar ist

Das Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig erhält in den Kreisen der katalanischen Separatisten Beifall. Das ist nachvollziehbar, immerhin kann man es als Etappensieg für Carles Puigdemont werten. Er kann jetzt nur wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder ausgeliefert werden.

Sollte dieser Vorwurf beweisbar sein, müsste Puigdemont immer noch mit einer Gefängnisstrafe von bis zu acht Jahren rechnen. Für eine Rebellion drohen den Angeklagten bis zu 30 Jahre. Und um die Rebellion geht es im deutschen Urteil.

Auf juristischem Weg schwer zu lösen

Der Richterspruch bedeutet nicht, dass es keine Rebellion gegeben habe in Katalonien. Er hält zunächst nur fest, dass das deutsche Recht diesen Straftatbestand nicht kennt und man Puigdemont wegen dieses Vorwurfs also nicht ausliefern dürfe. Das kompliziert die Situation in Spanien.

Mittlerweile sitzen mehrere katalanische Politiker in Untersuchungshaft und sollen wegen Rebellion angeklagt werden. Puigdemont aber darf deswegen nicht mehr angeklagt werden. Es würden also Politiker und Politikerinnen, die alle am gleichen Projekt beteiligt waren, ungleich behandelt. Dieses Problem wird juristisch schwer zu lösen sein.

Unangenehm für Richter und Regierung in Spanien

Das deutsche Gericht suchte im eigenen Gesetzbuch nach einem vergleichbaren Tatbestand und fand den Hochverrat. Für Hochverrat aber ist Gewalt oder Gewaltandrohung zwingend. Beides, fanden die Richter, sei im Fall Puigdemonts nicht gegeben. Noch ein Stolperstein für Spaniens Richter also, denn die sind der Ansicht, allein schon das Risiko, dass es bei der Unabhängigkeitsabstimmung zu Gewalt hätte kommen können, sei belastend genug.

Die Gewalt am 1. Oktober 2017 ist aber nicht von den Bürgerinnen und Bürgern ausgegangen, die abstimmen wollten, sondern von der Polizei. Das deutsche Urteil rückt diesen Umstand wieder in den Vordergrund, ohne ihn explizit zu erwähnen. Das ist unangenehm für die Richter in Spanien, aber auch, und vielleicht noch mehr, für die Regierung in Madrid.

Ministerpräsident Rajoy hat die katalanische Krise von Beginn an als juristisches und nicht als politisches Problem betrachtet und den Fall darum an die Richter delegiert. Heute müsste er erkennen, dass es aus dieser Krise nur einen politischen Ausweg gibt. Aber der politische Weg ist viel komplizierter, seit die katalanischen Separatisten die Dezemberwahlen gewonnen haben und Rajoys Konservative förmlich vom Feld gewischt wurden.

Krise bleibt ein Alltags-Wort

Rajoy regiert in Madrid in der Minderheit, er ist machtlos. Und einfallslos. Es ist nicht mehr zu übersehen, dass er politisch schwer angeschlagen ist und auch in den eigenen Reihen angezweifelt wird. Aber auch ohne Rajoy ist der Weg für einen politischen Weg nicht einfach frei.

Die aufsteigende politische Macht ist die wirtschaftsliberale Partei Ciudadanos, die erst seit drei Jahren auf der nationalen Bühne ist. Gegründet wurde sie vor zwölf Jahren in Katalonien als politische Abwehr gegen die Separatisten. Will Rajoy politisch überleben (so er diese Option überhaupt noch hat), braucht er just diese Partei. Unterliegt er den Liberalen aber, kommen sie an die Macht. Beide Varianten verstellen den Weg zu einer Normalisierung in Katalonien.

Fazit: Carles Puigdemont hat einen Etappensieg. Aber auf die Entwicklung in Spanien hat er kaum Einfluss. Katalonien bleibt ein grosser Konflikt, der die nationale Politik Spaniens heute weitgehend blockiert. Krise bleibt ein Alltags-Wort.

Martin Durrer

Auslandredaktor, SRF

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Martin Durrer arbeitet seit 1989 bei Radio SRF. Er war unter anderem als Leiter der Auslandredaktion tätig und berichtete aus Lateinamerika mit Sitz in Buenos Aires.

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