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Fehlendes Staatsvertrauen Masernepidemie in Rumänien – wegen grassierender Impfskepsis

Mindestens 15 Kinder starben in den letzten anderthalb Jahren. Dabei war Masern dank Impfung praktisch ausgerottet.

«Ich habe wirklich viele Masernfälle in meiner Praxis. Die meisten davon Kinder», sagt die Bukarester Hausärztin Ileana Radu. Eine Masernepidemie wie in den letzten Monaten habe sie noch nie erlebt.

Die 68-Jährige ist alarmiert: Masern können vor allem bei kleinen Kindern zu schweren Komplikationen, im Extremfall zum Tod führen.

Allein in den ersten zwei Maiwochen wurden in Rumänien mehr als 900 neue Fälle von Masern gemeldet. 15 Kinder sind in den letzten eineinhalb Jahren an den Folgen der Krankheit gestorben.

Tiefste Impfquote der EU

Dabei waren Masern in Rumänien wie im Rest Europas praktisch verschwunden – weil fast alle Kinder geimpft wurden. Doch inzwischen ist der Anteil der vollständig gegen Masern Geimpften auf 75 Prozent gesunken. Damit ist die Impfquote in Rumänien so tief wie nirgendwo sonst in der EU.

 Auch in der Praxis der Kinderärztin Radu weigern sich immer wieder Eltern, ihre Kinder gegen Masern impfen zu lassen. «Einige haben religiöse Gründe, doch die meisten glauben, dass die Masernimpfung zu Autismus führe.» Ein Zusammenhang, der schon längst wissenschaftlich widerlegt ist.

Die Impfskepsis ist Ausdruck eines fehlenden Vertrauens in den Staat.
Autor: Simona Vulpe Soziologin an der Uni Bukarest

Wieso sich der Irrglaube in Rumänien so hartnäckig hält, hat Simona Vulpe untersucht. Die Soziologin von der Universität Bukarest sagt: «Das Hauptproblem ist ein Mangel an Vertrauen in den Staat und ganz besonders ins Gesundheitswesen.»

Dieses Misstrauen habe sich während der Pandemie verstärkt, weil die rumänische Regierung zeitweise stümperhaft über die Covid-Impfungen informiert habe.

Kind beim Erhalten einer Impfung von medizinischem Personal.
Legende: Eine Impfung zu erhalten, mag nicht immer angenehm sein – aber an Masern zu erkranken und womöglich daran zu sterben, ist die weitaus schlimmere Variante. Keystone/Robin Utrecht

Die Impfskepsis sei vor allem ein städtisches Phänomen. «Auf dem Land sind andere Gründe für die tiefe Impfquote verantwortlich. Dort ist das Problem, dass es in manchen Dörfern keine Hausärzte mehr gibt. Das macht es für die oft arme Bevölkerung schwierig, ihre Kinder impfen zu lassen», sagt Vulpe.

Keine Impf-Aufklärung des Staates

Ovidiu Covaciu ist Banker. Doch in seiner Freizeit investiert er viel Zeit in eine Facebook-Gruppe, die hunderttausend Mitglieder hat und Informationen zu allen möglichen Aspekten des Impfens bietet.

Covaciu sieht die tiefe Impfquote auch als eine Folge des Impfzwangs zu kommunistischen Zeiten. «Auch nach dem Sturz von Diktator Ceausescu haben die meisten Eltern ihre Kinder noch impfen lassen. Deshalb sah der Staat keinen Bedarf, die Leute aufzuklären.» Das räche sich jetzt.

Nichtimpfen sollte schwieriger sein als impfen.
Autor: Ovidiu Covaciu Banker, setzt sich in der Freizeit für Impf-Aufklärung ein

Covaciu findet, die Regierung müsse mehr tun, um die Bevölkerung über die Masernimpfung aufzuklären. Sie müsse auf dem Land den Zugang zu Impfungen erleichtern.

Und sie müsse dafür sorgen, dass Impfgegner Nachteile hätten. «Nichtimpfen sollte schwieriger sein als impfen.» Der Staat könnte ungeimpfte Kinder zum Beispiel von Kindergärten oder Kitas ausschliessen, schlägt er vor.

In Rumänien wird seit zwei Jahren über ein Gesetz diskutiert, welches das vorsieht. Zu einer Abstimmung im Parlament ist es bislang jedoch nie gekommen. Alle Parteien wissen, wie politisch heikel der Vorschlag ist – in einem Land, in dem zu kommunistischen Zeiten die Menschen zum Impfen gezwungen worden sind.

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