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Festgefahrener Nahost-Konflikt «Dann wäre Israel weder jüdisch noch demokratisch»

Auf der internationalen Agenda figuriert der Nahostkonflikt derzeit unter «ferner liefen». Zu verhärtet sind die Fronten, zu komplex die Situation. In den Konflikt könnte aber wieder Bewegung kommen. Nämlich, wenn der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu die Wahlen im April verliert – sagt Alon Liel. Der ehemalige israelische Diplomat setzt sich seit Jahren für einen unabhängigen palästinensischen Staat ein – denn sonst würde Israel seine eigenen Werte verraten.

Alon Liel

Israelischer Ex-Diplomat

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Alon Liel war israelischer Botschafter in Südafrika und für kurze Zeit Generaldirektor des israelischen Aussenministeriums. Heute lehrt er an der Universität Tel Aviv Internationale Beziehungen.

SRF News: Glauben Sie noch an die Zweistaatenlösung?

Alon Liel: Ja. Sie ist die einzige und beste Möglichkeit, um Israel als jüdischen und demokratischen Staat zu erhalten. Aber sie scheint ein unerreichbarer Traum zu sein – mit der gegenwärtigen Regierung Israels und der Palästinenser. Und der weltweiten Gleichgültigkeit.

Die internationale Gemeinschaft befürwortet die Zweistaatenlösung aber weiterhin.

Theoretisch ja, da sind sich die Staaten weltweit einig. Israel ist das einzige Land, das die Zweistaatenlösung nicht unterstützt. Aber es gibt keine Regierung und keine internationale Organisation, die deswegen Druck auf Israel macht.

Der Nahostkonflikt in Bildern

Im Frühling gibt es Wahlen in Israel. Sie sagen, Netanjahus Herausforderer Benjamin Gantz könnte dem Friedensprozess neuen Schub verleihen. Warum?

Die entscheidende Frage wird sein, wer eine Regierungskoalition zustande bringt und ob dort Parteien mitmachen, die die Zweistaatenlösung unterstützen. Netanjahu hat dieses Ziel nicht mehr verfolgt. Wenn Gantz eine solche Koalition zustande bringt und die Zweistaatenfrage wieder aufnimmt, hätten wir wieder eine andere Ausgangslage.

Aber warum sollte Gantz das tun? Sie sprechen für eine Minderheit in Israel.

Sie haben Recht. Er wird es nur tun, wenn er als Premierminister davon überzeugt ist. Dass es das ist, was die Welt will, was die Palästinenser wollen, und das Beste für Israel ist. Ich weiss nicht, ob das geschehen wird.

Bei einer Einstaatenlösung wäre Israel weder jüdisch noch demokratisch.

Ich weiss aber, dass mindestens zwei zionistische Parteien diese Zweistaatenlösung auf ihrer Agenda haben: Labor und Meretz – und vielleicht auch Yesh Atid, die mit Gantz antritt. Die Zweistaatenlösung ist also nicht komplett verschwunden.

Israel müsste besetzte Gebiete aufgeben. Ist das realistisch?

Bis vor fünf Jahren war mit den Palästinensern die Rede davon, die Grenzen von 1967 als Basis für eine solche Zweistaatenlösung zu nehmen. Dabei hätten auch Gebiete abgetauscht werden sollen.

Die Regierung Trump ist zu einseitig, sie hat ihre Vermittlerrolle verspielt.

Das Problem dabei sind nicht die Gebiete, in denen am meisten Siedler leben, sondern ein Gebiet tief in der Westbank, mit etwa 70'000-80'000 Leuten, die sich kaum bewegen werden. Was mit ihnen geschehen soll, bleibt eine grosse Frage.

Und die Palästinenser? Sie suchen ja auch nicht sehr aktiv nach einer Lösung.

Die Palästinenser erleben seit zehn Jahren eine schreckliche Zeit. Eine Spaltung zwischen Fatah und Hamas, zwischen dem säkularen und religiösen Teil der Bevölkerung. Es wird sehr schwierig sein, eine Lösung zu finden, die die Westbank und Gaza umfasst.

Benny Gantz
Legende: In Israel wird am 9. April ein neues Parlament gewählt. Gantz (59) gilt als einziger ernstzunehmender Rivale Netanjahus (69) von der rechtsorientierten Likud-Partei. Reuters

Wir sollten uns deshalb zunächst auf die Westbank konzentrieren und schauen, ob die Palästinenser über die Jahre hinweg diesen Graben überwinden und wieder eine gemeinsame Regierung haben werden.

Wenn wir derzeitige Lage anschauen: Läuft das auf eine Einstaatenlösung hinaus?

Eindeutig. Wenn wir nicht eine grundsätzliche Wende hinkriegen, werden wir bei einer Einstaatenlösung landen, bei der Israel weder jüdisch noch demokratisch sein wird. Ein Land mit 50 Prozent Juden, 50 Prozent Moslems, und einem guten Drittel der Bevölkerung, der nicht abstimmen darf. Weil wir sonst einen muslimischen Premierminister hätten oder einen palästinensischen. Das wird eine Tragödie für die Israelis und Juden.

Was sollte Ihrer Meinung nach passieren, damit es zu einer Zweistaatenlösung kommen kann?

Wir müssen die Stimmung in der israelischen Bevölkerung ändern, mit einer neuen Regierung, die an den Frieden glaubt. Die internationale Gemeinschaft soll die Situation nicht nur nach den Machtverhältnissen bewerten, sondern aufgrund des internationalen Rechts und moralischen Überlegungen.

Die Regierung Trump ist zu einseitig, sie hat ihre Vermittlerrolle verspielt. Westeuropa ist der Schlüssel. Grossbritannien, Frankreich oder Deutschland, Freunde von Israel, könnten sich direkt einbringen – wenn sie Palästina als Staat anerkennen. Dann wird die internationale Gemeinschaft wieder eine Rolle spielen.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

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