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Filmproduktionen gestoppt US-Autoren streiken für Regeln zur Künstlichen Intelligenz

Beim Streik geht es um bessere Arbeitsbedingungen – aber auch um die Angst, durch Technologie ersetzt zu werden.

Fans der berühmten US-Late-Night-Shows müssen sich derzeit mit Wiederholungen begnügen. Sendungen wie jene von John Oliver oder Stephen Colbert, die Comedy und Talkshow vermischen, fallen aus. In Hollywood und New York sind die grossen Produktionen der TV- und Filmindustrie und für Streaming-Plattformen gestoppt. Grund ist ein Streik in den USA von Autorinnen und Autoren, die Comedy-Monologe oder Drehbücher schreiben. Auch Schauspielerinnen und Schauspieler erwägen einen Streik, falls nicht in den nächsten Tagen ein neuer Vertrag zustande kommt.

Demonstrierende mit Transparenten, auf einem steht: «AI is coming for your job next»
Legende: Die Autorinnen und Autoren fürchten, dass künftig Künstliche Intelligenz viele von ihnen ersetzen könnte. «Künstliche Intelligenz holt als Nächstes deinen Job», steht auf einem der Plakate. SRF

In Manhattan demonstrieren Autoren diese Woche vor den Büros von Netflix. Es geht um klassische Forderungen wie faire Bezahlung, aber eben auch um die Angst, dass Künstliche Intelligenz (KI) sie ersetzen könnte. Die Demonstrierenden fordern, dass sie KI wie ein digitales Werkzeug benutzen können, dass Künstliche Intelligenz Menschen aber nicht ersetzen darf.

«KI ist eine Plagiatsmaschine. Es lernt von dem, was wir Menschen geschaffen haben», sagt Liz Hynes. Sie ist im Vorstand der Gewerkschaft der Autorinnen und Autoren (WGAE), die Schranken für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz fordert. Hynes schreibt Texte für die Late-Night-Show von John Oliver.

Kann Künstliche Intelligenz Drehbuch-Autoren Konkurrenz machen?

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Amy Webb.
Legende: Zukunftsforscherin Amy Webb nutzt Daten, um Modelle zur Zukunft zu schaffen. zVg

Die Sorgen der Autorinnen und Autoren seien nicht unberechtigt, sagt Zukunftsforscherin Amy Webb vom «Future Today Institute». «Im vergangenen Monat haben mich mehrere Chefs aus der Filmindustrie angefragt, ob es bald möglich sein wird, generative Künstliche Intelligenz zu nutzen, als Ergänzung oder gar als Ersatz für menschliche Autoren», erklärt sie. Die Antwort gibt Webb gleich dazu: «Die Werkzeuge der generativen Künstlichen Intelligenz können recht eindrückliche Texte schaffen.»

Doch es sei ein grosser Unterschied, Texte zu schreiben oder eine komplett neue Geschichte zu erfinden. «Es ist schwierig, diese Systeme dazu zu bringen, etwas wirklich Neues und Einzigartiges zu erfinden.» Sie ist zuversichtlich, dass Künstliche Intelligenz in Zukunft ein Hilfsmittel wie andere Technologien wird. «Im Moment kann das Schreiben von Drehbüchern oder Texten für Fernsehproduktionen nicht komplett an eine Technologie ausgelagert werden. Es geht also darum, die Kreativität zu erweitern, was im Kern eine sehr menschliche Tätigkeit ist.»

Am Protest nimmt auch Carrie Gibson, Schauspielerin und Autorin, teil. Die Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz sind ihre grösste Sorge. «Künstliche Intelligenz saugt unserer Arbeit als Schauspielerinnen und Autoren die Seele aus.»

Kampf um Existenz

Die Autorinnen und Autoren stehen von zwei Seiten unter Druck. Streaming-Produktionsfirmen wie Netflix wollen Kosten senken, gleichzeitig kann Künstliche Intelligenz immer mehr mitschreiben. Daher kämpfen sie darum, ihre Existenz durch neue Regeln zu sichern. Seit Mai streiken und demonstrieren Autorinnen und Autoren immer wieder, in Los Angeles oder New York.

Im Moment kann das Schreiben von Drehbüchern oder Texten für Fernsehproduktionen nicht komplett an eine Technologie ausgelagert werden.
Autor: Amy Webb Zukunftsforscherin

Auch die Schauspielerinnen und Schauspieler spüren die Veränderung. Carrie Gibson sagt, für weniger berühmte Schauspieler sei KI eine Gefahr. «Ich kenne Statistinnen, die bereits angefragt wurden, ob ihre Körper gescannt werden dürfen.» Menschliche Schauspielerinnen dürften aber kaum ganz durch Avatare ersetzt werden. Sie punkten dadurch, dass sie authentische Personen sind. «Ich glaube, Autorinnen müssen sich mehr Sorgen machen als Schauspieler, auch wenn diese, Stand jetzt, einfacher zu kopieren sind», sagt Zukunftsforscherin Amy Webb.

Künstliche Intelligenz wird unsere Drehbücher nehmen, in einer Maschine wiederkäuen und wieder ausspucken, um unsere Jobs wegzuautomatisieren.
Autor: Céline Robinson Autorin

Céline Robinson schreibt Episoden für die Serie «Law and Order» – eine Polizeiserie, die seit Jahrzehnten nach einem ähnlichen Muster gestrickt ist. Sie ist besorgt: «Künstliche Intelligenz wird unsere Drehbücher nehmen, in einer Maschine wiederkäuen und wieder ausspucken, um unsere Jobs wegzuautomatisieren.»

Bei solchen Serien könnte Künstliche Intelligenz tatsächlich einen Teil der Schreibarbeit übernehmen, so Amy Webb.

Junge Frau mit Transpart und Kolleginnen an der Demo
Legende: Liz Hynes (zweite von links) kämpft innerhalb der Gewerkschaft dafür, dass Autorinnen auch in Zukunft eine Existenz haben. Sie sagt, sie vermisse ihren Job und hoffe, dass es bald eine Einigung mit den Produktionsfirmen gebe. SRF

«Ich sehe, dass Künstliche Intelligenz helfen kann, effizienter zu sein», sagt Liz Hynes. «Wir fordern nur Schranken, um zu verhindern, dass KI Menschen komplett ersetzt und gleichzeitig menschliche Ideen nutzt, und dabei den Studios viel Geld spart.» Die Produktionsfirmen äussern sich nicht zum Streik.

Immerhin: Ihren Job als Autorin für die Comedy-Show von John Oliver könne die Technologie noch nicht übernehmen, so Hynes. Denn noch habe KI nicht gelernt, was etwas lustig mache. «Ich habe versucht, eine unserer Shows mit KI zu schreiben. Es war nicht sehr gut.»

Tagesschau, 1.7.2023, 19:30 Uhr

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