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Flucht ins Nachbarland Das Misstrauen der Georgier gegenüber den Russen steigt

Zehntausende Russen sind ins Nachbarland geflohen. Daran haben die Georgier immer weniger Freude. Dafür haben sie ihre Gründe.

Worum geht es? Seit Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine haben Hunderttausende Russinnen und Russen das Land verlassen. Mehrere Zehntausend von ihnen sind ins kleine Nachbarland Georgien geflohen. Sie können visumfrei einreisen und bis zu einem Jahr dort bleiben. Doch in Georgien steigt jetzt zunehmend der Unmut – denn die Georgier sehen in Russland tendenziell eine Bedrohung.

Die Georgier vermuten, dass viele Russen bloss vor dem Einrückungsbefehl fliehen, die Politik des Putin-Regimes aber mittragen.
Autor: Calum MacKenzie Auslandredaktor Radio SRF

Welche Russen fliehen? Nach Kriegsbeginn Ende Februar waren es vor allem russische Regimegegnerinnen und -gegner, die Russland verlassen haben und von denen viele nach Georgien gegangen sind. Nach dem Mobilmachungsbefehl Putins am 21. September sind zehntausende weitere Russen nach Georgien gekommen, vor allem Männer zwischen 18 und 60 Jahren. «Viele Georgier vermuten, dass viele von ihnen bloss vor dem Einrückungsbefehl fliehen, die Politik des Putin-Regimes aber mittragen», sagt SRF-Auslandredaktor Calum MacKenzie. Deshalb nehme das Misstrauen der georgischen Bevölkerung gegenüber den ankommenden Russen zu.

Die Georgier haben die russische Offensive von 2008 nicht vergessen.
Autor: Calum MacKenzie Auslandredaktor Radio SRF

Woher kommt das Misstrauen? Nach der Unabhängigkeitserklärung Georgiens von der Sowjetunion im April 1991 kam es in den beiden georgischen Regionen Abchasien und Südossetien zu Sezessionsbewegungen und -kriegen. Die beiden Regionen erhielten die Unterstützung Moskaus und sind seit 1994 (Abchasien) respektive 2008 (Südossetien) de facto russisch besetzt. Noch immer aber gehören sie völkerrechtlich zu Georgien. Im Südossetien-Konflikt 2008 marschierten russische Truppen zudem bis kurz vor die georgische Hauptstadt Tiflis, zahlreiche Georgier starben im Zuge der russischen Offensive. «Das haben die Georgier nicht vergessen», sagt MacKenzie.

Wie zeigt sich der Unmut? In manchen Bars in der Hauptstadt Tiflis müssen Russen einen Fragebogen zum russischen Krieg in der Ukraine und zur russischen Besetzung der beiden georgischen Gebiete Abchasien und Südossetien ausfüllen. Bedient wird nur, wer das Verhalten Moskaus als illegal verurteilt. Auch ist die Solidarität der georgischen Bevölkerung mit den Ukrainern riesig – so hängen in kaum einer anderen Hauptstadt Europas so viele ukrainische Flaggen wie in Tiflis.

Menschen demonstrieren mit Ukraine-Farben.
Legende: An manchen Grenzübergängen zu Russland ist es auch zu Demonstrationen von Georgiern gegen die freie Einreise von Russen gekommen. Reuters/Irakli Gedenidze

Was sind die Folgen der Einwanderung? Die anreisenden Russen sind meist finanzstärker als die Georgierinnen und Georgier. Dadurch sind die Mietzinsen bereits stark gestiegen. Manche Georgier wurden sogar aus ihren Mietwohnungen geworfen, um diese zu einem höheren Preis an Russen zu vermieten. «Dadurch steigen natürlich die Spannungen zwischen Georgiern und Russen», so MacKenzie.

Was sagt die georgische Regierung? Die Regierung gibt zu, dass die Situation nicht einfach ist. Die Grenzen zu Russland sollen aber offen bleiben, die Beziehungen zu Moskau nicht schlechter werden. Entsprechend zurückhaltend ist die Regierung auch beim Verurteilen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, was wiederum für Unmut in der Bevölkerung sorgt. Das Russen-Problem in Georgien könnte sich aber bald etwas entspannen: Offenbar bleiben die Russen nur kurze Zeit in Georgien, viele kehren auch wieder nach Russland zurück.

SRF 4 News, 13.10.2022, 7:50 Uhr ; 

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