Das Supercomputing ist eine der Schlüsseltechnologien der Forschung. Es ist entscheidend bei der Bewältigung und Berechnung von Klimakatastrophen und für verkürzte Entwicklungszyklen in der Industrie. Das macht dieses Supercomputing so wichtig. Kein Wunder wollen alle ganz vorne mit dabei sein.
Nach China, der Schweiz, Japan und den USA will nun auch die EU Gas geben und eine Milliarde Euro investieren, um eine eigene Supercomputing-Infrastruktur aufzustellen. Was verspricht sie sich davon? Tessin-Korrespondent Alexander Grass, der mehrfach über die Schweizer Supercomputer in Lugano berichtet hat, weiss es.
Warum gibt es dieses digitale Wettrüsten? Was leisten Supercomputer genau?
Alexander Grass: Zum Beispiel lassen sich damit präzis Klima und Sturm berechnen und vorhersagen. Je leistungsfähiger der Computer ist, desto besser werden die Vorhersagen und desto besser kann man im Voraus reagieren. Dasselbe gilt für Erdbeben oder bei den Materialwissenschaften, wo neue Werkstoffe mit bisher noch unbekannten Eigenschaften im Computer entwickelt werden können.
Das sind gewaltige Entwicklungsvorteile, die eine Industrienation oder Europa als Verbund von Industrienationen gegenüber der amerikanischen oder chinesischen Konkurrenz hätte.
Inwiefern könnte denn eine bessere Supercomputing-Infrastruktur die europäische Wettbewerbsfähigkeit steigern, so wie sich die EU das vorstellt?
Schauen wir auf die Gegenwart: Daimler oder Airbus sowie die Wetterdienste in Europa kaufen zunehmend Rechenzeit in den USA und in Japan ein. Diese Nachfrage ist grösser als das Angebot in Europa. Man macht sich dafür abhängig von diesen Rechenzentren. Man ist darauf angewiesen, dass diese Länder die Zentren zur Verfügung stellen. Das möchte die EU nicht. Und deshalb möchte sie eine eigene Infrastruktur aufziehen.
Was spricht gegen dieses Wettrüsten mit Supercomputern?
Das Problem sind die Kosten und die Energie. Denn wenn sie in die Zukunft blicken, wird versprochen, dass diese Computer 50 oder 1000 Mal schneller und besser werden als die Geräte, die wir heute haben. Das bedeutet aber auch, dass die Technologie 50 Mal bis 1000 Mal mehr Energie benötigt. Das wäre dann gleich viel Energie wie ein oder mehrere Atomkraftwerke produzieren. Die müssten dann in einem solchen Rechenzentrum integriert werden. Das ist viel zu viel Energie. Deshalb müssen die neuen Anlagen ultraenergieeffizient werden.
Es ist ein sehr komplexer Wettlauf in diesem Formel-1-Rennen des Supercomputing.
Der zweite Punkt sind die Kosten. Die Entwicklung eines neuen Chips kostet eine halbe Milliarde Dollar. Jetzt werden also die Grafikchips aus den Handys herausgenommen, weil sie so billig und zugleich stromsparend sind. Dann werden sie wieder eingesetzt, aber das gibt dann neue Probleme. Es ist also ein sehr komplexer Wettlauf in diesem Formel-1-Rennen des Supercomputing.
Sie haben vorhin die Abhängigkeiten angesprochen. Wo sind denn die Gefahren konkret?
Die erste Gefahr für die EU ist, dass sie abhängig ist von der Zuteilung von Rechenzeit, die letztlich im Ausland entschieden wird. Das will man nicht. Man will eigene Prioritäten setzen können.
Das zweite grosse Problem ist der Datenschutz. Die Industrie und die Forschung wollen ihre Geheimnisse für sich behalten. Sie wollen verhindern, dass diese Geheimnisse ins Ausland abfliessen. Zum Beispiel nach China, das eine absolute Computermacht ist. Man möchte nicht, dass die Resultate der Arbeit weiter verwertet werden.
Die EU steigt also mit ins Wettrennen mit China, der Schweiz, Japan und den USA. Wie könnte die Zukunft dieses digitalen Wettrüstens aussehen?
Sicher ist: Diese Ranglisten im Bereich des Supercomputings werden sich abschaffen. Ein Blick zurück zeigt, was da geschehen kann: China hatte lange keinen eigenes Supercomputing und rechnete seine Projekte in den USA. Dann haben die USA beschlossen, dass China nicht mehr profitieren soll von den amerikanischen Rechenzentren. Da ist China eingestiegen und hat in das Supercomputing investiert. Und ist heute die Supercomputing-Weltgrossmacht.
Jetzt investiert Europa sowie die USA und alle haben das gleiche Ziel vor Augen.
Der erste Supercomputer ausserhalb von China steht in Lugano und wird von der ETH betrieben, das ist das Schweizerische Hochleistungsrechenzentrum «Swiss National Supercomputing Centre». Es wird aber nicht mehr lang auf Platz drei bleiben. Jetzt investieren Europa sowie die USA und alle haben das gleiche Ziel vor Augen. Dieses Supercomputing ist einer der Schlüsseltechnologien in der Wissenschaft und auch in den Grundlagen der Wissenschaften und da will man ganz vorne dabei sein.
Das Gespräch führte Marlen Oehler.