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Frankreich soll für Folgen von Kernwaffentests geradestehen
Aus Rendez-vous vom 21.09.2020. Bild: Imago
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Frankreich in der Pflicht Atomtests in der Sahara: Opfer sind bis heute nicht entschädigt

Frankreichs radioaktive Hinterlassenschaft in Algerien war lange kaum ein Thema. Nun kommt Bewegung in die Diskussion.

Frankreich zündete im Februar 1960 in der algerischen Sahara seine erste Atombombe. Damit stieg das Land in den damals kleinen Kreis der Atommächte auf. Zwei Jahre später wurde Algerien von Frankreich unabhängig. Doch Frankreich führte die Versuche dort weiter, bis eine neue Basis auf dem Mururoa-Atoll in französisch-Polynesien bezugsbereit war.

Als die französischen Truppen nach dem letzten Atomversuch 1966 in der Sahara ihre Basen räumten, liessen sie Baumaschinen, Flugzeugmotoren, Laster im Sand zurück. Auch radioaktiver Abfall blieb liegen. Lava etwa, die bei unterirdischen Versuchen ausgetreten war. Das Ausmass der Strahlenbelastung sei bis heute unbekannt, sagt der Direktor des Rüstungsobservatoriums in Lyon, Patrice Bouveret: «Die französische Armee hat bestimmt ein Inventar erfasst – es aber als ‹geheim› qualifiziert.»

Algerien will Verbot nuklearer Waffen

Die Öffentlichkeit habe keinen Zugang zu den Informationen. «Die einzigen Quellen sind Aussagen von Zeugen, die damals dort gearbeitet haben. Aber genaue Angaben über die radioaktive Belastung haben wir nicht.» Bouveret hat solche Aussagen gesammelt. Als Co-Autor eines Berichts, den das Rüstungsobservatorium gemeinsam mit dem französischen Ableger der Internationalen Kampagne zum Verbot atomarer Waffen veröffentlicht hat.

Kaputtes Danger-Schild und Stacheldraht
Legende: Zu den Opfern gehören Bewohner der Region, ehemaliges Personal der Basen und deren Nachkommen, die unter Strahlenschäden leiden. Keystone

Frankreich solle sein Archiv öffnen, ist eine der Forderungen im Bericht. Dies dürfte inzwischen auch Algerien interessieren. Denn das Land hat den Internationalen Vertrag zum Verbot nuklearer Waffen unterschrieben, aber noch nicht ratifiziert. Wenn der Vertrag von 50 Staaten ratifiziert ist, wäre Algerien verpflichtet, die Opfer der atomaren Versuche zu entschädigen.

Die meisten Gesuche stammen aus Polynesien

Frankreich will diesen Vertrag nicht unterzeichnen. Ein Programm zur Entschädigung von Opfern von Atomversuchen gibt es zwar bereits seit zehn Jahren. Die Atomtests in der Sahara spielen dabei aber nur eine Nebenrolle.

Die bisher 1500 Entschädigungsanträge kommen praktisch alle aus Polynesien, bloss 49 sind aus Algerien. Das erstaunt Bouveret nicht: «Die algerische Regierung hätte diesen Prozess begleiten müssen. Zum Beispiel gibt es keine arabische Übersetzung der französischen Formulare. Man müsste die Betroffenen rechtlich und medizinisch beraten, damit sie wissen, bei welchen Krankheiten oder Missbildungen sie Geld verlangen können.»

Die algerische Regierung war in die Versuche involviert.
Autor: Patrice Bouveret Rüstungsexperte

Bei diplomatischen Treffen war die atomare Hinterlassenschaft in der Sahara bisher kaum Thema. Zwar hatten Frankreich und Algerien 2007 und 2012 je eine Expertenkommission ernannt. Doch zu mehr als zu einer Sitzung kam es dabei nicht. Die algerische Regierung habe das Thema klein gehalten, weil sie der Verlängerung der Atomtests im Vertrag von Evian zugestimmt habe, glaubt Bouveret. «Das heisst, die Regierung war in die Versuche involviert.»

Das atomare Testgelände wurde nach den letzten Versuchen von 1966 zwar geschlossen. Aber auf einer weiteren Basis seien in Zusammenhang mit dem Atomprogramm weiterhin chemische Versuche durchgeführt worden: «Vermutlich bis Ende der 70er-Jahre. Diese Basis wurde noch besser abgeschirmt und hier war die algerische Armee direkt beteiligt», so der Rüstungsexperte. Präsident Abdelaziz Bouteflika gehörte zu der Generation. Sein Nachfolger Abdelmadjid Tebboune macht nun mehr Druck und will Frankreich in die Pflicht nehmen.

Rendez-vous, 21.09.2020, 12:30 Uhr

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