Der französische Präsident Emmanuel Macron hat seine Regierung umgebildet – wie es nach einer Parlamentswahl üblich ist. Die Rochaden sind allerdings grösser ausgefallen als erwartet. Denn mehrere Mitglieder des Koalitionspartners «MoDem» mussten wegen einer Affäre um Scheinbeschäftigung gehen.
SRF News: Wer sind die neuen Köpfe im Kabinett?
Charles Liebherr: Es sind – auch für die Kenner der französischen Politmechanik – weitgehend unbekannte Köpfe. Die neue Verteidigungs- und die neue Justizministerin, die neuen Staatssekretäre: Viele von ihnen waren hohe Beamte oder nur regional bekannte Politikerinnen und Politiker. Ich erkenne darin vor allem den anhaltenden Willen des Präsidenten und seines Premiers, die Politik in Frankreich weiter zu erneuern und eine breite Abstützung im Parlament zu finden – über die Regierungspartei «En Marche» hinaus. Deshalb sind auch Minister aus dem rechten und linken Lager dabei, aber auch Experten aus der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft, aus Unternehmen und Verbänden. Der Präsident bleibt also seiner Linie treu. Entscheidend ist die Fachkompetenz, weniger die Verwurzelung in einer Partei im traditionellen Sinn.
Welche Rolle spielt die Zentrumspartei «MoDem» noch in der neuen Regierung?
Die Zentristen hatten ihre prominentesten Vertreterinnen in die erste Regierung geschickt. Aber gerade weil diese nun wegen des Verdachts auf unrechtmässige Beschäftigung von Assistenten im EU-Parlament abtreten mussten, bleibt in der neuen Regierung eigentlich nur noch die zweite Garde übrig. «MoDem» behält zwei Ministerposten. Die Zentristen bleiben aber ein wichtiger Partner von Macrons Partei «En Marche». Das hat «MoDem»-Parteipräsident François Bayrou gestern noch einmal deutlich unterstrichen. Seine Partei stellt 42 Parlamentarier in der Nationalversammlung. Sie alle unterstützen die Regierung. Das ist wichtig, da Macron nicht alleine regieren will, sondern immer noch die politische Öffnung über die Parteigrenzen hinweg sucht.
Man erkennt darin den festen Willen der Regierung, wichtige Reformen rasch anzugehen.
Ist das ein Kabinett, mit dem Macron seine Reformpläne umsetzen kann?
Es ist ein Team, das nun Bestand haben muss. Die Zeit drängt nämlich: Die Regierung hat sich einen Arbeitsplan mit hohen Ambitionen gegeben. Schon heute wird ein neues Sicherheitsgesetz verabschiedet, um im Herbst den Ausnahmezustand nach zwei Jahren aufheben zu können. Die Reform des Arbeitsgesetzes soll per Dekret gleich nach den Sommerferien im September verabschiedet werden. Das Transparenzgesetz für Politiker wird in wenigen Wochen im Parlament beraten. Man erkennt darin den festen Willen der Regierung, wichtige Reformen rasch anzugehen, damit die Bürger bald Ergebnisse erkennen können. Ob das gelingt, wissen wir natürlich nicht. Aber man wird in wenigen Wochen sehen, ob die Regierung im Parlament und in der Bevölkerung genug Rückhalt hat, um die Reformen auch umsetzen zu können.
Das Gespräch führte Tina Herren.