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Frei durch Hormonspritze? Grossbritannien will Sexualstraftäter vorzeitig entlassen

  • Grossbritanniens Gefängnisse quellen über, der Strafvollzug ist überlastet.
  • Um das System zu entlasten, wurden bereits letzten Herbst Hunderte Häftlinge vorzeitig entlassen.
  • Damals nicht dabei waren Sexualstraftäter. Bald sollen auch sie unter strengen Auflagen vorzeitig das Gefängnis verlassen können.

Britische Gefängnisse – oft in schlechtem Zustand und vor allem: überfüllt. Grossbritanniens Strafvollzug ist seit Jahren am Anschlag.

Seiner Majestät Gefängnis Wandsworth in London, 2023.
Legende: Zahlreiche britische Haftanstalten sind hoffnungslos überfüllt – etwa das Wandsworth-Gefängnis im Süden von London. Keystone/Neil Hall

Um Platz für neue Verurteilte zu schaffen, wurden bereits vergangenen Herbst 1700 Häftlinge vorzeitig entlassen. Darunter Drogendealer, Diebe und Gewalttäter. Sie alle haben lediglich 40 Prozent ihrer Haftstrafe absitzen müssen – so wollte es die sozialdemokratische Labour-Regierung.

Frei durch chemische Kastration

Nicht vorzeitig entlassen wurden bislang Sexualstraftäter und wegen häuslicher Gewalt Verurteilte. Nun prüft die Regierung neue Massnahmen. So sollen beispielsweise Sexualstraftäter vorzeitig entlassen werden, wenn sie sich mit einer Hormonspritze chemisch kastrieren lassen. «Eine Studie empfiehlt, dass wir die medikamentöse Behandlung von problematischen, triebhaften Sexualimpulsen bei Gefangenen weiterführen», sagt Grossbritanniens Justizministerin Shabana Mahmood. Sie gehe noch einen Schritt weiter – und prüfe ein nationales Programm, um diese hormonelle Behandlung für obligatorisch zu erklären.

Ob damit ausgeschlossen werden könne, dass die Täter rückfällig werden, stellt Labour-Abgeordnete Charlotte Nichols in Frage. Mahmood zeigt sich optimistisch: «Das Zusammenspiel von hormoneller Behandlung und psychologischer Betreuung wird, denken wir, grosse Wirkung zeigen.»

Kritik von der Opposition

Die Opposition übt scharfe Kritik und fordert statt vorzeitiger Entlassungen den Bau neuer Gefängnisse. «Das Programm wird sonst zum Freipass für gefährliche Straftäter», warnt Schatten-Justizminister Robert Jenrick von den Konservativen. Er kritisiert auch den Plan, kurze Haftstrafen durch gemeinnützige Arbeit zu ersetzen. «Auch diese Leute sind keine Engel», so Jenrick.

Kritik, die Mahmood zurückweist. Wäre es Jenrick ernst, «hätte die konservative Regierung, der er angehörte, mehr als 500 neue Gefängnisplätze gebaut in 14 Jahren an der Macht». Die Labour-Partei hat bereits angekündigt, neben der Strafreform bis 2030 über 10'000 neue Gefängnisplätze bauen zu wollen – für gegen fünf Milliarden Franken.

Tagesschau, 23.05.2025, 19:30 Uhr ; 

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