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Fremdenhass in Australien Podium für Neonazis in Melbourne – wie ist das möglich?

Der Angriff auf ein Protestlager von Indigenen bei landesweiten Anti-Einwanderungsdemos erschreckt. Einschätzung von Ozeanien-Korrespondent Urs Wälterlin.

Darum geht es: Bei Anti-Einwanderungskundgebungen der rechtsextremen Organisation «March for Australia» ist es am Wochenende landesweit zu Ausschreitungen gekommen. Am augenfälligsten mitten in der Millionenstadt Melbourne, wo Neonazis ein Protestlager von Indigenen stürmten, ohne dass die Polizei eingriff. Es gab vier Verletzte. Gemäss Medienberichten folgten dem Aufruf von «March of Australia» landesweit zwischen 25'000 und 50'000 Menschen, wie Ozeanien-Korrespondent Urs Wälterlin berichtet – also relativ wenige, gemessen an der Gesamtbevölkerung von über 25 Millionen.

Der Fall Melbourne: Der Übergriff von Neonazis auf das Aborigines-Protestlager in Melbourne sei einer von mehreren Vorfällen gewesen, stellt Wälterlin fest. Dieser zeige aber am klarsten, dass Rassismus ein wichtiges Element der landesweiten Demonstrationen gewesen sei. Alle Protestierenden in einen Topf mit den Neonazis zu werfen, wäre nach den Worten von Kritikern der Kundgebungen ebenso falsch, wie Migrantinnen und Migranten für alle Probleme verantwortlich zu machen. Denn viele Teilnehmende hätten auch berechtigte Sorgen geäussert – wie den drastischen Mangel an Wohnraum, die schlechte Gesundheitsversorgung, die Umweltprobleme und die unsichere Weltlage.

Die Reaktionen: Die sozialdemokratische Regierung verurteilte den Angriff scharf. Umweltminister Murray Watt machte explizit «Neonazis» dafür verantwortlich. Kritik an der Gewalt, aber wohl etwas scheinheilig, kam laut Wälterlin sogar von der ultrakonservativen Partei One Nation. Diese patriotische und nationalistische Gruppierung ist seit vielen Jahren im Parlament und argumentiert und agiert regelmässig gegen Indigene. Mitglieder von One Nation marschierten auf den Kundgebungen auf jeden Fall gemeinsam mit oder zumindest in der Nähe der Neonazis.

Thomas Sewell
Legende: «March for Australia»: Der bekannte Neonazi-Aktivist und Organisator Thomas Sewell spricht am 31. August 2025 vor den Stufen des Parlaments in Melbourne zur Menge. Keystone/EPA AAP/JOEL CARRETT

Das ist «March for Australia»: Die Organisation ist den Sicherheitsbehörden seit Jahren bekannt. Der australische Geheimdienst beurteilt sie schon länger als Bedrohung für die öffentliche Sicherheit. Sie setzt sich primär aus jungen Männern zusammen. Ihre Antipathie richtet sich primär gegen alle eingewanderten Nicht-Europäer. Bisher war die Gruppe eher eine Randerscheinung im politischen Spektrum. Die jüngsten Kundgebungen hätten der Gruppe aber viel Publizität verschafft, so Wälterlin.

Argument «Massenmigration»: «March for Australia» führt eine Massenmigration ins Feld, die den Zusammenhalt der australischen Gesellschaft untergrabe. Eine Haltung, die in Teilen der Bevölkerung wahrscheinlich geteilt werde, schätzt Wälterlin. Doch von Massenmigration könne bei einem Bevölkerungswachstum von jährlich einem Prozent nicht die Rede sein. Darum gehe es den Extremisten und ihren Sympathisanten auch nicht. Sie forderten vielmehr eine Rückkehr zum «weissen Australien» der 1950er- und 1960er-Jahre, als nur Menschen aus europäischen Ländern einwandern durften. So weit gehen viele Australierinnen und Australier nicht. Doch viele kritisierten heute die verstärkte Zuwanderung aus Indien und China – gepaart mit dem unberechtigten Vorwurf der mangelnden Assimilation. Ein Vorwurf, den sich alle Eingewanderten anhören mussten, die Australien zum modernen und reichen Industriestaat machten, wie Wälterlin betont.

SRF 4 News aktuell, 2.9.2025, 7:19 Uhr ; 

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